‚In der Antike riskierten Überbringer schlechter Nachrichten ihr Leben. Heute lehnen sehr viele Menschen eine klare Sprache ab. Die Mitteilung von Tatsachen, die nicht in das eigene Bild passen, wird häufig als geschmacklos bezeichnet. Man will die Augen vor der Wirklichkeit verschließen nach dem Motto, man werde sich doch die eigenen Vorurteile nicht durch Tatsachen zerstören lassen. Daran ist zu denken, wenn im folgenden zeitgeschichtliche Ereignisse unverblümt dargestellt werden. Mit Einführung der Fristenlösung haben wir die „Dritte Republik“, und seither gab es keine führenden Persönlichkeiten mehr, die es wirklich verdient hätten, als Gewissen der Nation bezeichnet zu werden.
Soeben wurde unter großen Krämpfen eine Pensionsreform vom österreichischen Nationalrat beschlossen. Die Diskussionen im Vorfeld haben zu großer Verunsicherung unserer Mitbürger geführt. Viele Jahre hindurch hat man den Menschen ja eingeredet, es werde ihnen immer besser gehen, immer war von Wirtschaftswachstum und höheren Einkommen die Rede. Immer mehr Menschen konnten sich alles mögliche leisten, was für frühere Generationen unvorstellbar war. Doch nun ist das alles in Frage gestellt.
Ausgerechnet die Hauptschuldigen an dieser Entwicklung wollen die „böse“ Regierung zum Prügelknaben machen. Doch es schwingt auch bereits Ratlosigkeit und Resignation mit. Das Vertrauen in die Politik geht zunehmend verloren, was sich an der immer mehr sinkenden Wahlbeteiligung ablesen läßt. Und dieser Vertrauensverlust ist mehr als begründet. Ja in Wahrheit haben die Menschen noch immer viel zu viel Vertrauen in die Politiker, deren Versagen in den letzten Jahrzehnten uns in eine beinahe ausweglose Situation gebracht hat.
In wenigen Jahren wird es allgemeine Erkenntnis sein, daß nicht nur die Pensionen, sondern unser gesamtes Wirtschafts- und Sozialsystem in Gefahr ist.
Die Fachleute, die sich mit der Pensionsreform zufrieden zeigen, tun es vor allem mit der Begründung, daß endlich ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden sei. Zugleich betonen fast alle, daß dieser Schritt zu spät gekommen ist und die verordneten
Einschränkungen nicht ausreichend wären, um die zukünftige Altersversorgung zu gewährleisten. Andere immer dringlicher werdende Probleme werden bagatellisiert. Gewisse Zeichen an der Wand, wie ausufernder Drogen-, Alkohol- und Medikamentenmißbrauch, häufig auftretende Depressionen, Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen, wurden und werden verdrängt.
Aus verständlichen Gründen, die noch zu erörtern sein werden, gibt es jedoch keine Diskussion über die Ursachen dieser fatalen Entwicklung. Wenn wir aber nicht bereit sind, darüber zu sprechen und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, dann werden wir auch keine Lösungen für die auf uns zukommenden Probleme finden.
Worauf stützt sich nun die Aussage, daß schwerwiegende Probleme auf uns zukommen? Es gibt hiefür unbedenkliche Zeugen, die umso ernster zu nehmen sind, weil sie eigentlich gar nicht die Absicht haben können, Hiobsbotschaften zu vermitteln.
DIE WERBUNG EINER BANK
Es gibt ein Papier der Dresdner Bank aus 2001: „Die Märkte für Altersvorsorgeprodukte in Europa“. Dieses Papier hat den Zweck, die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge vor Augen zu führen und Altersvorsorgeprodukte zu bewerben. Wenn solche Produkte auch als Notwendigkeit hingestellt werden, so ist eine solche Werbeschrift sicherlich bestrebt, den Leser nicht vor den Kopf zu stoßen oder in Panik zu versetzen. Es gehört ja zum Geschäft der Bank, Perspektiven zu eröffnen. Die Grunderkenntnis jedoch, warum die Altersvorsorge zum Problem geworden ist, wird in verschiedenen Zusammenhängen klar herausgestellt: es fehlen die Kinder.
Das Papier der Dresdner Bank unterscheidet drei Altersvorsorgesysteme: das sog. archaische System, welches darauf beruht, daß die eigenen Nachkommen oder der Familienverband die Versorgung der älteren Generation übernehmen. Nach dem heute am weitesten verbreiteten Umlageverfahren werden die Pensionen der älteren Generation aus dem laufenden Arbeitseinkommen der jüngeren Generation finanziert. Als drittes wird das Kapitaldeckungsverfahren angeführt, wonach jeder Versicherte regelmäßig Vorsorgebeiträge auf ein persönliches Konto einzahlt, die dann auf dem Kapitalmarkt angelegt werden. Erträge und Verzehr des angesammelten Kapitals decken später die Pensionszahlungen. Und dazu heißt es wörtlich:
„Gemeinsam ist allen Systemen, daß sie ohne ausreichende Anzahl von Nachkommen nicht funktionieren; in diesem Sinne beruht auch das Kapitaldeckungsverfahren auf einem Generationsvertrag. Beim Umlageverfahren ist die hohe Abhängigkeit von demographischen Faktoren offensichtlich; aber auch für die Funktionsfähigkeit des Kapitaldeckungsverfahrens braucht es letztlich genügend Nachkommen, die aufgrund ihrer Produktivität die Zinsen, Dividenden und sonstigen Erträge erwirtschaften, aus denen die Renten finanziert werden. Im Gegensatz zum Umlagenverfahren ermöglicht es allerdings das Prinzip der Kapitaldeckung, sich durch Investitionen im Ausland und die Einbeziehung der internationalen Kapitalmärkte bis zu einem gewissen Grade von der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung im Heimatland zu lösen.“
Mit anderen Worten: Auch das Funktionieren der hochgelobten Eigenvorsorge ist davon abhängig, daß ein Land eigene Kinder hat und in der wirtschaftlichen Entwicklung zumindest eine Kontinuität gegeben ist, zusätzlich aber von der Entwicklung in den Ländern, in denen Investitionen getätigt worden sind. Es gibt keine europäischen Länder, in denen sinnvollerweise investiert werden könnte, weil selbst diejenigen, die demographisch etwas besser dastehen, wie z.B. Irland, einen Bevölkerungsschwund aufweisen. Es müßten also außereuropäische Länder sein, die ein demographisches und wirtschaftliches Wachstum aufweisen und politisch stabil sind. Tatsächlich werden auch bereits Geldanlagen in Indien oder den USA empfohlen. Wozu aber wird das investierte Kapital möglicherweise verwendet werden? Soll mit europäischen Geldern ein Krieg um Kaschmir finanziert werden? Oder ein Präventivkrieg der USA gegen Nordkorea? Und dann ist da noch die Abhängigkeit von den internationalen Kapitalmärkten. Das System ist also mit sehr viel Unsicherheitsmomenten behaftet.
Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes wird von drei Größen bestimmt. An erster Stelle steht die Fertilität. Sie drückt aus, wie viele Kinder eine Frau durchschnittlich zur Welt bringt. Um einen gegebenen Bevölkerungsstand zu halten, ist eine Fertilitätsrate von 2,1 erforderlich. Im EU-Durchschnitt ist diese Zahl 1,45, was bedeutet, daß sich die junge Generation nur noch zu zwei Dritteln ersetzt. Neben der Fertilität spielt die Sterblichkeit eine wichtige Rolle für die Bevölkerungsentwicklung. Ein Rückgang der Sterblichkeit bedeutet einen Anstieg der Lebenserwartung und damit selbst bei konstanter Fertilität eine Bevölkerungszunahme, allerdings auch einen Anstieg des Durchschnittsalters und eine Zunahme der älteren Bürger in Relation zu den jüngeren. Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Abschätzung von Bevölkerungsentwicklungen sind Wanderungsbewegungen (Migration), die in der EU die prägende Größe sind. 1999 gab es einen Nettozuzug von 700.000 Menschen in die EU.
Es klingt wie eine Absicherung vor späteren Schadenersatzansprüchen von Bankkunden, die über Anraten der Bank in die kapitalgedeckte Altersvorsorge investieren wollen, wenn es in diesem Zusammenhang wörtlich heißt:
„Konsequenzen für die Kapitalmärkte
Zuweilen wird die Sorge laut, die kapitalgedeckte Altersvorsorge berge erhebliche demographische Risiken, deren Eintreten Teile des angesparten Vermögens wieder vernichte. Würden nämlich, so die Argumentation, in der Ansparphase verstärkt Finanzaktiva nachgefragt, so könnten zunächst deren Preise steigen. Später würden dann große Bevölkerungsteile, die in den Ruhestand treten und im großen Stil Vermögensbestandteile zur Finanzierung ihres Konsums auflösen, aufgrund des dadurch verursachten Preisrückgangs Wertverluste erleiden. Diese wiederum könnten angesichts der Höhe der akkumulierten Vermögen die Ersparnisse mehrerer Jahre vernichten. Manche Vertreter dieser ‚demographischen Assetpreisansatzes‘ befürchten sogar einen Zusammenbruch der Märkte.
Diese Sorgen sind weitestgehend unbegründet. Die vorgetragenen Effekte mögen plausibel klingen, treten jedoch nur in einem sehr vereinfachten Modell der Kapitalmärkte auf. Am ehesten lassen sie sich am Beispiel eines regionalen Immobilienmarktes veranschaulichen, auf dem kein weiteres Bauland zur Verfügung steht: Die Zahl der Objekte ist hier eine feste Größe, und die Eigentümer leben am Ort ihrer ‚Assets‘. (Anmerkung: ‚asset meltdown‘ bedeutet Wegschmelzen von Guthaben.) Deren Preis variiert mit der Zahl der anbietenden und nachfragenden Personen. Wächst die Bevölkerung in dieser Region, so steigen die Immobilienpreise; im umgekehrten Falle sinken sie. Insgesamt ergeben sich auf einem solchen Markt einfache demographische Wirkungen auf die Bestandspreise.“
Die angeführten Besorgnisse werden hier aber keineswegs entkräftet. Das Beispiel mit den Immobilienpreisen zeigt im Gegenteil, daß der Wert nur erhalten bleibt, wenn genügend „Nachfrager“ vorhanden sind.
EXPERTEN DER EU
Von der Europäischen Union stammt ein Manuskript aus Mai 2004 mit dem Titel „Bericht der Hochrangigen Gruppe über die Zukunft der Sozialpolitik in der erweiterten Europäischen Union“. Dieses Papier beschäftigt sich ebenfalls mit der geringen Fertilität in den EU-Staaten. Eine Grafik zeigt, daß Mitte der 60er Jahre in den Staaten der EU-15 eine Rate von 2,8 erreicht wurde, die bis zum Jahr 2001 auf unter 1,5 gefallen ist. Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich bei Betrachtung der Staaten der EU-25. Eine nähere Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, daß sich im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 die letzten Chancen zur Gegensteuerung bieten, bevor die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu schrumpfen beginnt. 2015 wird außerdem der Altenquotient drastisch ansteigen.
Das hundert Seiten starke Papier nennt als Herausforderungen die Alterung der Bevölkerung und die Globalisierung, gibt politische Orientierungslinien für Beschäftigungsstrategie, Reform der sozialen Sicherungssysteme, Förderung der sozialen Eingliederung und Schaffung optimaler Bedingungen für die Realisierung von Kinderwünschen vor. Das gesamte Manuskript ist, ohne daß dies irgendwo ausdrücklich gesagt wird, getragen von der Überzeugung, daß es ohne Kinder keine Zukunft geben wird. In auffälligem Gegensatz dazu wird jedoch nirgends davon gesprochen, daß das Kind als menschliches Individuum eine personale Würde hat, die bei der Gestaltung seines menschlichen Umfeldes berücksichtigt werden sollte. Oder mit anderen Worten: Das Kindeswohl spielt keine Rolle in diesen Überlegungen, das Kind ist lediglich ein Wirtschaftsfaktor.
BERICHT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION
Einem Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2004 über die soziale Lage in der Europäischen Union ist folgende Zusammenfassung zu entnehmen:
„Die wichtigsten Punkte im Überblick
– Mit der Erweiterung wird sich der Alterungsprozess in der Union nicht verändern. Das Potenzial für das wirtschaftliche und soziale Wachstum wird auch in Zukunft durch eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung und eine wachsende Zahl von Rentnern beeinflußt werden.
– Die nächsten fünf Jahre sind die letzte Chance innerhalb der demografischen Entwicklung, bevor ein rascher Alterungsprozess einsetzt. Die Bemühungen bei der Vorbereitung auf diese Alterung müssen verstärkt werden, um die Beschäftigungsquoten und das Renteneinstrittsalter anzuheben.
– In den letzten zehn Jahren war die Nettozuwanderung die Hauptursache für das Bevölkerungswachstum in der Union. Da sich die neuen Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa zunehmend von Auswanderungs- zu Einwanderungsländern entwickeln, rückt die Politik zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Integration von Einwanderern in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller.
– Mit der Erweiterung ist die Zahl der Mitgliedstaaten mit extrem niedrigen Fertilitätsraten gestiegen. Die EU-Länder, die eine familienfreundliche Politik betreiben, weisen höhere Geburtenziffern und eine höhere weibliche Erwerbsbeteiligung auf.“
DIE SCHLUSSFOLGERUNGEN
Wenn von „demografischer Entwicklung“ die Rede ist, ist immer das Fehlen der Kinder gemeint. Der Ausdruck „Nettozuwanderung“ wird an anderer Stelle so erklärt, daß inzwischen drei Viertel des Nettobevölkerungswachstums in den Ländern der EU-15 auf die Zuwanderung zurückzuführen ist. Ohne sie wäre in einigen Mitgliedstaaten die Bevölkerung in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends zurückgegangen. Bemerkenswert ist an diesem Bericht auch, daß die soziale Integration der Einwanderer zu fördern wäre. Ob eine solche Integration irgendwo bereits gelungen ist, darüber wird allerdings nichts gesagt. Nichts gesagt wird auch darüber, welche Folgen es haben könnte, wenn die Integration nicht gelingt, wenn in den europäischen Ländern Parallelgesellschaften entstehen, die jeweils ganz anderen religiösen, rechtlichen und kulturellen Normen verhaftet sind. Es gibt auch keine Überlegungen in die Richtung, wieviel Zuwanderung für die einheimische europäische Bevölkerung verkraftbar ist, bis sich die Menschen als Fremde in ihrem eigenen Land fühlen. Man macht sich auch keine Gedanken darüber, welche sozialen Spannungen aus einer solchen Situation entstehen können, sondern nimmt offenbar als gegeben hin, daß die Zuwanderer bereit sein werden, sich der alten Europäer anzunehmen. Wenn von höheren Geburtenziffern in Ländern mit einer familienfreundlichen Politik die Rede ist, wird übersehen, daß auch in diesen Ländern die Fertilitätsrate nicht ausreicht, um auch nur den Bevölkerungsstand zu halten. Ganz typisch ist die Forderung nach einer höheren weiblichen Erwerbsbeteiligung, was beweist, daß das Kindeswohl außerhalb jeder Betrachtungsweise bleibt.
Die bisher besprochenen und in den vorgestellten Papieren verharmlosend dargestellten Probleme beschränken sich auf die Pensionsproblematik, die Sicherung des Gesundheitssystems und der Erwerbsquote. Das Problem der schrumpfenden Bevölkerung will man wie gesagt durch Zuwanderung lösen und die Erwerbsquote dadurch erhöhen, daß möglichst alle Frauen in den Arbeitsprozeß voll eingegliedert werden.
Was ist nun zu erwarten, wenn die EU die aus diesen Papieren erkennbaren Pläne in praktische Politik umsetzt? Lassen wir beiseite, daß sich das Scheitern der Multi-Kulti-Ideologie bereits abzeichnet und reden wir nicht von den Problemen, die der EU-Beitritt der Türkei mit sich bringen wird (Randbemerkung: Im Bericht der EU-Kommission zur sozialen Lage werden als Beitrittsländer Bulgarien, Rumänien und die Türkei genannt.). Die Maßnahmen, mit denen die EU die Fertilitätsrate und die Erwerbsquote steigern will, führen nämlich erst recht in die Katastrophe.
Christa Meves, die bekannte deutsche Schriftstellerin und Kinderpsychologin, hat schon vor Jahrzehnten vorausgesagt, wohin die Zerstörung von Ehe und Familie durch Scheidung und Abtreibung führen würde. Seit Jahrzehnten versucht sie deutlich zu machen, daß Kleinkinder bis zum Alter von drei Jahren in die Obhut ihrer Mutter gehören und nirgendwo anders hin. Nur so können an Körper, Seele und Geist gesunde Kinder heranwachsen. Unsere Verantwortungsträger (auch die „christlichen“ Politiker) sind jedoch den entgegengesetzten Weg gegangen. Und dieser Irrweg wird von der EU noch weiter ausgebaut. Ehe und Familie wurden und werden schlecht gemacht. Kinder haben bestenfalls den Stellenwert von begehrten Möbelstücken. Ungeborene Kinder haben weniger Rechte als Tiere. Von Schutz und Förderung der Familie kann überhaupt nicht die Rede sein, wenn sogar „christliche“ Politiker dafür sind, andere Formen des Zusammenlebens rechtlich der Ehe gleichzustellen oder zumindest anzupassen.
Die Folgen davon, daß nun schon die dritte Generation „wohlstandsverwahrlost“ heranwächst, sind beispielsweise:
– eine hohe Scheidungsrate, die immer mehr Kinder zur Scheidungswaisen macht;
– Drogenkonsum und Alkoholismus bereits bei Unter-14-Jährigen;
– Brutalisierung und Depressionen oft schon unter Jugendlichen;
– Absinken des Bildungsstandes.
Aus den Kindern, die nie die Liebe und Zuwendung von Vater und Mutter erfahren haben, wird ein Heer von Leistungsschwachen, Suchtkranken, Kriminellen und Perversen. Auf diesem Weg sind wir schon sehr weit fortgeschritten.
In der Sonntagsbeilage der Kronenzeitung vom 17. Oktober 2004 war ein Artikel über „Schule und Drogen“ zu finden. Daraus folgende Zitate:
„Zigaretten, Alkohol, Drogen. Noch nie waren Kinder so früh gefährdet oder schon kaputt. Noch nie war Cannabis eine so harte Droge wie heute. Noch nie hat eine Gesellschaft ihre Kinder so alleingelassen. Moderne Wissenschaft setzt auf altmodische Methoden: Liebe, Nestwärme, Zeit. In Österreich gäbe es praktisch keine Schule, an der es keinen ‚Stoff‘ gibt. 13- und 14-Jährige rauchen und konsumieren Alkohol. Das Erste, was Eltern und die Gesellschaft tun können: Die Augen aufmachen. Das Thema nicht verdrängen. Es ist nicht so schlimm? Es ist viel schlimmer, als die meisten denken. Kinder von heute dürfen fast alles. Nur Kinder sein dürfen sie nicht. Und allein sind sie, mit ihren Ängsten, ihrer gefährlichen Langeweile. Besser als heute kann man Kinder gar nicht für die Sucht-Gesellschaft erziehen.“
Große Aufregung verursacht zur Zeit in Österreich die PISA-Studie. Zwei auf der Hand liegende Ursachen für diese Misere werden wahrscheinlich ein Tabu bleiben. Zu nennen ist die Zerschlagung des seinerzeit bewährten österreichischen Bildungssystems durch die 68er-Ideologen und als zweites die Wohlstandsverwahrlosung von Kindern und Jugendlichen, die in erster Linie darauf zurückzuführen ist, daß die Eltern, und insbesondere die Mütter, keine Zeit mehr für ihre Kinder haben. Das Abgeben von Kleinkindern an Betreuungsstätten ist eben das Gegenteil von Familienförderung.
Wir müssen uns mit den Ursachen der uns heute bedrängenden Probleme befassen und auch mit den Verursachern. Nur so gibt es eine Chance, in letzter Minute das Steuer herumzureißen. Nur so kommen wir zu den notwendigen Änderungen in unserem eigenen Denken und in der Einstellung der Menschen um uns herum. Dies können wir aber nicht von jenen erwarten, die uns in diese Lage gebracht haben. Das wäre ganz einfach unrealistisch. Wir müssen uns einmal deutlich vor Augen führen, was unser österreichisches Volk, was die Völker Europas krank gemacht hat:
– Banalisierung des Geschlechtlichen oder anders gesagt: Abkoppelung der Sexualität vom Schöpfungsplan Gottes; als Folge davon
– Zerstörung von Ehe und Familie; und als begleitende Maßnahmen
– Verhütung: die europäischen Völker haben buchstäblich ihre Zukunft verhütet;
– Abtreibung, der kollektive Massen-Selbstmord der sogenannten westlichen Völker.
Wer hat diese Fehlentwicklung verursacht oder verschuldet und wer hat verhindert, daß rechtzeitig gegengesteuert wurde? Wenn wir uns der Beantwortung dieser Fragen stellen, dann werden wir sehen, daß es in unserem Land, ja in ganz Europa, keine Verantwortungsträger gibt, zu denen wir Vertrauen haben können, jenes Vertrauen, das zur Rettung unseres Kontinents dringendst notwendig wäre.
DIE „VERHÜTETE“ ZUKUNFT
Die „befreite Sexualität“ ist eine alte marxistische Forderung, die mit zunehmender Entchristlichung unseres Kontinents auch von Bevölkerungsgruppen, die dem Marxismus nichts abgewinnen konnten, für sich aufgegriffen und in die Praxis umgesetzt wurde. Um die menschliche Geschlechtlichkeit von ihrer gottgewollten Bestimmung zu trennen, wurde etwa um die selbe Zeit, in der die Pille als großartige Erfindung angepriesen wurde, eine Stimmung erzeugt, die man am besten als Überbevölkerungshysterie bezeichnen könnte. Es wurde eine Art von Gehirnwäsche betrieben und diejenigen, die diese Ideologie unter die Leute gebracht haben, müssen immer gewußt haben, daß es sich um eine groß angelegte Irreführung handelte. Es gab und gibt nämlich keine Überbevölkerung. Der Begriff wurde aus ideologischen Gründen in die Welt gesetzt (siehe dazu PRO VITA-Heft 1/1992).
Nichts ist für jeden vernunftbegabten Menschen einsichtiger und nichts hätte auch den einfachen Menschen leichter vermittelt werden können, als daß ein Volk ohne Kinder keine Zukunft haben kann. Eine verantwortungsbewußte und vorausschauende Politik hätte in der Gesetzgebung zu Ehe und Familie und in der Erziehung Einfluß nehmen und diesem üblen Zeitgeist gegensteuern müssen. Es waren damals (fast) alle mit Blindheit geschlagen und viele sind es heute noch.
Eine Ausnahme hat es gegeben: Papst Paul VI hat am 25. Juli 1968 die Enzyklika HUMANAE VITAE herausgegeben. Wenn man über diese Enzyklika spricht, sollte man als erstes ein großes Mißverständnis ausräumen. Diese päpstliche Lehre hat nicht zum Inhalt, daß die natürliche Empfängnisregelung eine Tugend, ein Wert an sich wäre. Der Papst betont vielmehr und zitiert dabei aus der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ des II. Vatikanischen Konzils, daß Ehe und eheliche Liebe ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet sind, daß Kinder die vorzüglichste Gabe für die Ehe sind und zum Wohl der Eltern selbst beitragen. Die Enzyklika bezeichnet jede Handlung als verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel. Nur wenn „gerechte Gründe“ dafür sprechen, Abstände in der Reihenfolge der Geburten einzuhalten – Gründe, die sich aus der körperlichen oder seelischen Situation der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben -, ist es den Gatten erlaubt, dem natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktionen zu folgen, dabei den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken und die Kinderzahl so zu planen. Voraussetzung für die sittliche Rechtfertigung der natürlichen Empfängnisregelung ist also, daß aus sittlich gerechtfertigten Gründen keine weiteren Kinder wünschenswert sind.
Der wegen dieser Enzyklika bis heute vielgeschmähte Papst hat sich als Fels in der Brandung erwiesen. Hätte man auf ihn gehört, dann gäbe es die auf uns zukommenden Schwierigkeiten nicht, die im 1. Teil dieser Ausführungen angesprochen worden sind.
Die österreichische (und auch die deutsche) Bischofskonferenz hat mit einem Akt des Ungehorsams reagiert, der bis heute nicht klar und eindeutig revidiert worden ist, ausgenommen von Bischof Kurt Krenn. Die österreichischen Bischöfe haben nämlich in der sog. „Maria-Troster-Erklärung“ bereits am 22. September 1968 ihren Ungehorsam in folgende Worte gekleidet: „Da in der Enzyklika kein unfehlbares Glaubensurteil vorliegt, ist der Fall denkbar, daß jemand meint, das lehramtliche Urteil der Kirche nicht annehmen zu können. Auf diese Frage ist zu antworten: Wer auf diesem Gebiet fachkundig ist und durch ernste Prüfung, aber nicht durch affektive Übereilung zu dieser abweichenden Überzeugung gekommen ist, darf ihr zunächst folgen, er verfehlt sich nicht, wenn er bereit ist, seine Untersuchung fortzusetzen, und der Kirche im übrigen Ehrfurcht und Gehorsam entgegenzubringen. Klar bleibt jedoch, daß er in einem solchen Fall nicht berechtigt ist, mit dieser seiner Meinung unter seinen Glaubensbrüdern Verwirrung zu stiften“. (Bitte dieses Zitat noch einmal und genau lesen. Es wurde bis heute nicht ausdrücklich zurückgenommen.)
Fast ist man versucht zu sagen, daß diese Verwirrung ohnehin bereits von den Bischöfen gestiftet worden ist. Die Antwort gibt Bischof Kurt Krenn in einem Pastoralschreiben vom 25. Juli 1993: „Nach einer Generation im Widerstand gegen Humanae Vitae dürfte es also nur noch stabile und glückliche Ehen geben, nur mehr harmonische Persönlichkeiten, nur mehr geliebte und sich prächtig entfaltende Wunschkinder, nur mehr eine Sexualität ohne die Einmischung Gottes. Was sind die Früchte des Widerstandes und der Verneinung von Humanae Vitae? Am Zustand der Ehen und Familien, der Kinder und der Jugend, am Standard der Würde und Rechte des Menschen lassen sich heute keine guten Früchte des Ungehorsams gegen Humanae Vitae vorzeigen, wenn der Dissens zu Humanae Vitae ein Versuch der Befreiung von der ‚Gewissenssklaverei‘ durch das kirchliche Lehramt sein sollte. Wie pessimistisch wird heute die Welt des Menschen in Ehe, Familie, Erziehung und allgemeiner Humanität von denen beschrieben, die den Ungehorsam wählten, um frei und fortschrittlich zu sein. War der Ungehorsam vielleicht nichts anderes als die Vorbereitung jenes breiten Weges, der in den Abgrund führt? Die Not des Menschen ist heute viel zu groß; niemand hat das Recht, sich am Einsturz eines Hauses zu freuen, das nur auf Sand gebaut war. Notwendig jedoch sind heute die Bekehrung zur Ordnung Gottes und ein radikaler Sichtwechsel des Menschen in seinen täglichen Entscheidungen.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Von Interesse ist im gegebenen Zusammenhang aber noch, was der Bischof zur heute viel strapazierten Gewissensfreiheit und -entscheidung zu sagen hat: „Freiheit und Selbstbestimmung sind noch nicht die Gewähr dafür, daß der Mensch gemäß seinem Gewissen sittlich handelt, der Mensch wird nach der Übereinstimmung seines Gewissens mit jenem Gesetz, das er sich nicht selbst gibt und dem er gehorchen muß, fragen müssen. Die Frage nach dieser Übereinstimmung ist die Frage nach der Wahrheit des Gewissens, der sich der Mensch nicht entziehen kann, wenn er gemäß seinem Gewissen sittlich gut handeln will. Solange der Mensch nicht nach der Wahrheit des Gewissens fragt, bleibt er ein gefährlicher Zeitgenosse, der die schlimmsten Taten damit rechtfertigen könnte, daß er eben dem völlig von sich selbst bestimmten Gewissen folgt.“ Und noch ein Satz dazu: „Eine Toleranz, die alles, nur nicht die Wahrheit erträgt, kann nicht zu einer humanen oder religiösen Gewissenskultur beitragen.“
Am 29. März 1988 hat die österreichische Bischofskonferenz anläßlich des bevorstehenden Papstbesuches im Juni 1988 eine Erklärung herausgegeben und darin auf ihre Erklärung vom 22. September 1968 verwiesen. Sie stünden „beseelt von der Treue zum Petrusamt zu dieser Lehre des Papstes.“ Und dann heißt es wörtlich: „Einige Stellen in dieser Erklärung wurden freilich mißdeutet, was zu einer bedenklichen Entwicklung in der Praxis geführt hat. Es konnte nicht die Absicht dieser Erklärung sein, den damals beschriebenen Fall einer von ‚Humanae Vitae‘ abweichenden Überzeugung als eine allgemeine Erlaubnis zur Anwendung empfängnisverhütender Mittel deuten zu lassen.“ Diese „bedenkliche Entwicklung in der Praxis“ gibt es nach wie vor, weil sich die Bischöfe niemals – und zwar bis heute nicht – klar und eindeutig von ihrer Erklärung vom 22. September 1968 distanziert haben, und weil wegen dieser bedenklichen Praxis heute ein ganz klares Bekenntnis zur Enzyklika Papst Pauls VI. verbunden mit praktischen Erläuterungen notwendig wäre.
DER KOLLEKTIVE SELBSTMORD
Zum fehlenden Schutz des Lebens der ungeborenen Kinder beschränken wir uns auf den Ablauf der Ereignisse und die derzeitige Lage in Österreich.
Wie fast überall in Europa sind auch in Österreich die Sozialdemokraten die Hauptschuldigen dafür, daß allein in unserem Land tagtäglich etwa dreihundert (vielleicht sind es aber auch „nur“ hundert oder zweihundert) ungeborene Kinder bei lebendigem Leib zerfetzt werden. Sie werden vor dieser Prozedur nicht einmal betäubt, weil man ja nicht zugeben kann, daß es Menschen sind wie wir, und daß es Tiere sind, kann man auch nicht gut behaupten. Unter diesen Sozialdemokraten sind die Hauptschuldigen wieder die sozialistischen Frauen, die auf einem Villacher Parteitag diese politische Forderung durchgesetzt haben, die dann Bruno Kreisky und sein Justizminister Christian Broda mit einer denkbar knappen Mehrheit durchs österreichische Parlament gepeitscht haben. Dieses Gesetz allein könnte bis zu drei Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Mit Sicherheit geht aber die Hälfte dieser Zahl auf das Konto dieses verbrecherischen Gesetzes, wie man es als Katholik in Anlehnung an das II. Vatikanische Konzil wohl bezeichnen muß.
DIE ZULASSUNG EINES VERBRECHENS MACHT MITSCHULDIG.
Bekanntlich haben ÖVP und FPÖ zweimal im Nationalrat und einmal im Bundesrat gegen dieses Gesetz gestimmt. Doch etwa zehn Jahre später haben diese Parteien den Inhalt dieses mörderischen Gesetzes voll akzeptiert, und zwar in der Person der damaligen Bundesparteiobmänner Alois Mock und Jörg Haider. Mock ist so etwas wie eine moralische Instanz in seiner Partei geworden, Haider übt nach wie vor einen bestimmenden Einfluß auf die Politik aus. Kann also irgendwer mit Grund erwarten, daß von den politischen Parteien gleichgültig welchen Couleurs etwas Gutes kommt? Daß die Grünen geradezu daran interessiert zu sein scheinen, die Zahl der Abtreibungen noch mehr hinaufschnellen zu lassen, darauf deutet ihre Forderung hin, Abtreibungen auf Krankenschein durchzuführen.
Vor allem die weiblichen Mandatare in allen Parteien lehnen einen echten Lebensschutz vehement ab und sind oft fanatische Befürworter des gesetzlich forcierten Massenmordes an den ungeborenen Kindern. Sie sind laut und mächtig und angeblich die Hauptbetroffenen, sodaß in dieser Frage von der gesamten politischen Kaste nichts Positives zu erwarten ist.
Und wie sieht es mit der katholischen Kirche und den anderen christlichen Kirchen aus? Es sind noch immer Hunderttausende von Menschen, die Sonntag für Sonntag den Gottesdienst besuchen. Wenn die kirchlichen Verantwortungsträger sagen, sie hätten keinen Einfluß, dann machen sie sich selbst etwas vor. Die Wahrheit ist, daß sie nicht im entferntesten daran denken, das Leben eines ungeborenen Kindes genauso wichtig zu nehmen wie Ihr eigenes. Ihre Blindheit in dieser Frage geht so weit, daß für sie derjenige zur Unperson wird, der ihnen in dieser Frage ins Gewissen redet.
DIE MITSCHULD DER KIRCHE
Darüber hinaus hat die katholische Kirche Österreichs eine ganz konkrete historische Schuld auf sich geladen, was die Geltung dieses Gesetzes und damit das Abschlachten von Menschen betrifft. Die historische Wahrheit ist nämlich, daß die ÖVP mit diesem Thema einen damals anstehenden Nationalratswahlkampf bestreiten wollte, als sie beobachtete, daß sich im Jahre 1974 das bis dahin erfolgreichste Volksbegehren gegen die Fristenlösung richtete. Die österreichische Bischofskonferenz, die damals unter dem bestimmenden Einfluß von Kardinal Franz König stand, ist ihr dabei in den Rücken gefallen. Kardinal König hat sinngemäß und ganz sicher wider besseres Wissen erklärt, die Frage des Lebensschutzes sei so grundsätzlich, daß man sie nicht in einen Nationalratswahlkampf hineinziehen dürfe. Diese Einstellung dominiert nach wie vor den Klerus und die sogenannten engagierten Laien der katholischen Kirche.
Doch es kommt noch schlimmer. Österreichs Christen scheinen völlig unberührt von der Tatsache zu sein, daß tagtäglich Hunderte von Mitmenschen grausam getötet werden. Sie haben sich daran gewöhnt und wollen nichts mehr davon hören. Sie tun so, als sei die Angelegenheit vor 25 oder 30 Jahren erledigt worden und daher nicht mehr aktuell. Wundern darf man sich darüber nicht, wenn man beobachtet, wie die Entchristlichung des Landes voranschreitet, die von gewissen Geistlichen zwar nicht gerade gefördert wird, gegen die sie aber in der Glaubensverkündigung auch nichts tun. Der geneigte Leser möge selber darüber nachdenken, wann er das letzte Mal eine Predigt darüber gehört hat, daß Abtreibung eine schwere Sünde gegen das fünfte Gebot ist, die zur ewigen Verdammnis führen kann. Oder haben Sie schon einmal eine Predigt über das erste oder das vierte Gebot gehört, vom sechsten Gebot ganz zu schweigen, weil dieses geradezu ein Tabu ist. Ganz im Gegensatz dazu muß man eher den Eindruck haben, daß die Esoterikwelle in der Glaubensverkündigung ihren Niederschlag gefunden hat, wenn meist nur davon die Rede ist, daß man sich der Liebe Gottes öffnen soll und daß wir alle Kinder Gottes sind. Das mag ja gut gemeint sein, ist aber eine verkürzte Sichtweise. Diejenigen, die auf die Liebe Gottes nicht antworten, sind nämlich nicht Seine Kinder. Und weil das nicht dazugesagt wird, wird indirekt die „Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel“-Mentalität gefördert. „Verkündet“ wird ständig, daß Jesus die Sünder geliebt habe, was so aber nicht stimmt. Unbußfertigen Sündern, also denjenigen Menschen, die in ihrem Fehlverhalten verhaftet geblieben sind oder verstockt waren, ist er durchaus mit Strenge begegnet. („Nicht jeder, der zu mir Herr, Herr sagt, wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur derjenige, der den Willen meines Vaters tut.“) Der Apostel Johannes spricht ganz deutlich aus, daß sich die Gottesliebe im Halten der Gebote zeigt. Von all dem ist unsere christliche Verkündigung weit weg. Es ist viel bekömmlicher und angenehmer, nur davon zu predigen, daß wir alle Kinder Gottes sind. In Wirklichkeit ist das nicht nur wenig hilfreich für eine christliche Lebensführung. Dieses ständige Schön-Wetter-Gerede steht auch im diametralen Gegensatz zur „Adventpredigt“ Johannes des Täufers. Er nennt die Pharisäer und Sadduzäer ein Natterngezücht und daß sie nicht glauben sollten, sie könnten tun und lassen was sie wollten, weil sie ja Abraham zum Vater hätten. Doch genau das, was der hl. Johannes hier mit scharfen Worten geißelt, ist der Kern der meisten heutigen Predigten, nämlich daß wir alle Kinder Gottes sind (- heute ist eben statt von „Kindern Abrahams“ von „Kindern Gottes“ die Rede -) und Gott uns so liebe, wie wir sind. Daß wir diese Gotteskindschaft auch verlieren können, wird fast nirgends dazu gesagt. Deshalb darf man sich auch nicht wundern, daß das Bewußtsein für das abscheulichste und weitverbreitetste Verbrechen unserer Zeit auch unter Christen verloren gegangen ist.
WAS KÖNNEN WIR TUN?
Wir müssen uns politisch organisieren. Als eigene politische Partei erfolgreich zu werden, ist durchaus realistisch. Wenn wir nur zwanzig Prozent der regelmäßigen Kirchgänger für uns gewinnen könnten, wären wir eine politische Kraft, die nicht ignoriert werden kann. Eine solche christliche Partei hätte Mandate im Nationalrat und könnte auch in den Landtagen und Gemeinden vertreten sein. Das Totschweigen unserer Anliegen wäre damit vorbei. Wir müßten uns zwar darauf einstellen, daß wir von allen geprügelt werden, aber gerade das würde uns die Möglichkeit geben, völlig unabhängig zu agieren und ohne Wenn und Aber als katholische Laien und gläubige Christen die Politik mitzubestimmen und zur Christianisierung unseres Landes beizutragen. Unsere Mitbürger sind nicht so verderbt, daß sie nicht auf uns hören würden. Wir kommen nur nicht an sie heran, und das gilt es zu ändern.
Es kann nicht die Aufgabe einer solchen Abhandlung sein, ein politisches Programm zu entwerfen. Im gegebenen Rahmen soll lediglich angedeutet werden, welche Möglichkeiten sich eröffnen würden und was als erstes zu tun wäre. Die erste Aufgabe wäre, unseren Mitbürgern klarzumachen, was Abtreibung für die ungeborenen Kinder bedeutet und welche schrecklichen Folgen das für die betroffenen Frauen hat. Wir müssen aufzeigen, welche Folgen es hat, wenn man den Menschen, vor allem den ungeborenen, zur Ware macht. Es muß klar gesagt werden, daß wir ein aussterbendes Volk sind und nur überleben können, wenn wir das Steuer energisch herumreißen. Kurz gesagt, wir brauchen eine Umerziehung im positiven Sinn, sodaß die öffentliche Meinung wieder bereit ist, den Schutz des menschlichen Lebens auch durch die Gesetze voll zu gewährleisten.
Wir brauchen Gesetze, die Ehe und Familie schützen. Familien mit fünf Kindern müssen wieder Normalität werden. Die soziale Gerechtigkeit erfordert, daß ein Müttergehalt eingeführt wird und bei der Einkommenssteuer das Familiensplitting. Wir müssen alle Gesetze durchforsten, die Ehe oder Familie beschädigen oder benachteiligen und deren Änderung verlangen.
Schließlich wird es auch notwendig sein, bei der Erziehung, der Erwachsenenbildung und im Kulturbetrieb massiv einzuwirken, daß alle lebensfeindlichen Bestrebungen (gegen das ungeborene Leben, gegen Ehe und Familie, gegen die Menschenwürde insgesamt) nicht mehr wie bisher vom Staat gefördert und mit Steuergeldern unterstützt werden.