35 Jahre Enzyklika HUMANAE VITAE

Am 25. Juli 1968 wurde die Enzyklika „Humanae vitae“ Papst Pauls VI veröffentlicht. Wie nicht anders zu erwarten war, waren Spott und Hohn der Gegner der katholischen Kirche die Folge. Etwas ungewöhnlich war die Reaktion der deutschen und österreichischen Bischöfe, deren Konferenzen jeweils einen Akt nur schlecht verbrämten Ungehorsams setzten, die deutschen Bischöfe in ihrer Königsteiner Erklärung, die österreichischen in der Maria-Troster-Erklärung.
Hier sollen nur einige Aspekte dieser Enzyklika herausgegriffen werden. Interessant sind die Problemstellungen, von denen die Enzyklika ausgeht. Da ist das erste die bis vor kurzem noch von allen als Tatsache und Bedrohung empfundene angebliche Bevölkerungsexplosion. Diese Sorge wird zwar angesprochen, aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, daß der Papst diese „Gefahr“ nicht sieht.

Als weitere Problemstellungen sind genannt der Wandel in der Auffassung von der Persönlichkeit und der Aufgabe der Frau, der Wert der ehelichen Liebe und die Beurteilung des ehelichen Verkehrs im Hinblick auf diese Liebe. Schon damals wurde vom Papst als Problem erkannt, daß der Mensch den Fortschritt in der Beherrschung der Naturkräfte auch auf jene Gesetze auszudehnen suche, die die Weitergabe des Lebens regeln. Ausgehend von der Überlegung, daß auch das natürliche (und nicht nur das evangelische) Sittengesetz den Willen Gottes zum Ausdruck bringe und dessen treue Befolgung daher für das ewige Heil des Menschen notwendig sei, daß die Kirche in beständiger Lehre das natürliche Sittengesetz immer so ausgelegt habe, daß „jeder eheliche Akt“ von sich aus auf die Zeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muß und der Mensch diese Verknüpfung nicht eigenmächtig auflösen darf, daß sich gegen Gottes Plan und heiligen Willen stelle, wer zwar einerseits Gottes Gabe (die Sexualität) genieße, Sinn und Ziel dieser Gabe (die Fortpflanzung) aber ausschließe, werden die unerlaubten Wege der Geburtenregelung klar ausgesprochen. Neben Abtreibung und Sterilisierung wird jede Handlung als verwerflich bezeichnet, die darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern. Der Gebrauch direkt empfängnisverhütender Mittel wird als „immer unerlaubt“ verworfen.
Doch was den erlaubten Weg der Geburtenregelung betrifft, nämlich die Inanspruchnahme unfruchtbarer Perioden, wird die Lehre der Kirche bzw. Papst Paul’s VI insofern mißverstanden, als die natürliche Empfängnisverhütung durch Beschränkung des ehelichen Verkehrs auf die empfängnisfreien Zeiten keineswegs vorbehaltlos als sittlich erlaubt hingestellt wird. In der Enzyklika heißt es ausdrücklich, daß es nach kirchlicher Lehre den Gatten nur dann erlaubt ist, den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken und die Kinderzahl auf diese Weise zu planen, wenn gerechte Gründe dafür sprechen, Abstände einzuhalten in der Reihenfolge der Geburten. Gründe, die sich aus der körperlichen oder seelischen Situation der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben.

Es ist also keineswegs so, daß der Papst die in Ausnahmefällen durch Berücksichtigung des natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktionen geübte Familienplanung bzw. Beschränkung der Kinderzahl sozusagen als sittlichen Wert an sich hingestellt hätte. Dazu wird in der Enzyklika aus der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes des Zweiten Vatikanischen Konzils zitiert wie folgt:

„Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiß die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr bei.“

Trotzdem Papst Paul VI in dieser seiner Enzyklika auf die gerade damals besonders intensiv diskutierte angebliche Bevölkerungsexplosion Bezug nimmt, war und ist es immer das Bestreben der katholischen Kirche gewesen, den gläubigen Ehegatten nahezubringen, sie sollten alle Kinder als Geschenk und Aufgabe Gottes annehmen und am besten überhaupt keine Familienplanung betreiben. Wie sehr die Kirche den Menschen dient, wenn sie auch in diesem Punkt den Willen Gottes uneingeschränkt verkündet, läßt sich an der heutigen demographischen Situation Europas ablesen. Erst ansatzweise werden bei uns die Probleme aus der Überalterung diskutiert, und nur sehr wenige haben eine Ahnung, was in diesem Bereich auf uns zukommt. Es wird nicht nur das Pensionssystem in Frage gestellt, es geht auch um Wohlstand und sozialen Frieden. Die Einwanderung geburtenstarker Völker mit allen sich daraus ergebenden Problemen wird sich auch mit schärfsten Gesetzen auf Dauer nicht verhindern lassen. Nur eigene Kinder können uns vor allen diesen Problemen bewahren.

Maria-Troster-Erklärung
Zu dieser Enzyklika haben die Bischöfe Österreichs in einer Erklärung vom 22. September 1968, der sog. „Maria-Troster-Erklärung“, Stellung genommen. Darin wird das päpstliche Lehrschreiben zuerst über alle Maßen gelobt. Der Heilige Vater zeichne ein hohes Leitbild der Ehe. Zur Tragweite der päpstlichen Botschaft heißt es dann wörtlich:

„Da in der Enzyklika kein unfehlbares Glaubensurteil vorliegt, ist der Fall denkbar, daß jemand meint, das lehramtliche Urteil der Kirche nicht annehmen zu können. Auf diese Frage ist zu antworten: Wer auf diesem Gebiet fachkundig ist und durch ernste Prüfung, aber nicht durch affektive Übereilung zu dieser abweichenden Überzeugung gekommen ist, darf ihr zunächst folgen. Er verfehlt sich nicht, wenn er bereit ist, seine Untersuchung fortzusetzen und der Kirche im übrigen Ehrfurcht und Gehorsam entgegenzubringen. Klar bleibt jedoch, daß er in einem solchen Fall nicht berechtigt ist, mit dieser seiner Meinung unter seinen Glaubensbrüdern Verwirrung zu stiften.“

Dieses „zunächst“ der abweichenden Überzeugung gilt bis heute, und die angesprochene Verwirrung haben vor allem die Bischöfe selbst gestiftet. Die bischöfliche Erklärung ist ein Musterbeispiel der Zweideutigkeit und des Sprechens mit gespaltener Zunge.
Anläßlich eines bevorstehenden Papstbesuches hat die österreichische Bischofskonferenz am 29. März 1988 eine Erklärung abgegeben und darin heißt es wörtlich:

„Einige Stellen in dieser Erklärung [von Maria Trost] wurden freilich mißdeutet, was zu einer bedenklichen Entwicklung in der Praxis geführt hat. Es konnte nicht die Absicht dieser Erklärung sein, den damals beschriebenen Fall einer von „Humanae vitae“ abweichenden Überzeugung (vgl. BE II) als eine allgemeine Erlaubnis zur Anwendung aller empfängnisverhütenden Mittel deuten zu lassen.“

Es mag schon richtig sein, daß die Absicht der Maria-Troster-Erklärung nicht darauf gerichtet war, sie als eine allgemeine Erlaubnis zur Anwendung aller empfängnisverhütenden Mittel zu deuten, doch haben die Bischöfe nach zwanzig Jahren sicher gewußt, daß dies die praktische Folge ihrer Erklärung vom 22. September 1968 war.

Lediglich der Diözesanbischof von St. Pölten Dr. Kurt Krenn hat diesem Umstand Rechnung getragen und am 25. Juli 1993 ein Pastoralschreiben verfaßt, in welchem er die durch die Maria-Troster-Erklärung ausgelöste Fehlentwicklung klar aufzeigt. Das Studium dieses Pastoralschreibens kann allen an diesen Fragen näher Interessierten nur dringendst empfohlen werden.[Es findet sich auf der Homepage von Bischof Krenn unter dem Menüpunkt Der Bischof im Wortlaut/Sonstiges als letzter Beitrag.]

Die Österreicher sind ein sterbendes Volk. Ihr Bild von Ehe und Familie und der Funktion von Vätern und Müttern ist geprägt von einem materialistischen, hedonistischen und egoistischen Zeitgeist. Es wäre höchste Zeit, daß die Bischöfe Österreichs geschlossen ein deutliches Zeichen setzen, den Fehler eingestehen, den sie mit der Erklärung von Maria Trost gemacht haben, und diesen Akt des faktischen Ungehorsams gegen das päpstliche Lehramt ausdrücklich widerrufen. Es ist nicht mehr die Zeit für beschönigende Worte und akademische Diskussionen. Es ist die Zeit deutlicher Worte und praktischer Handlungsanweisungen, die sich zunächst einmal an die gläubigen Christen richten sollten. Väter und Mütter sollen ihre naturgegebenen Aufgaben wieder wahrnehmen. Christlich fundierte Familienpolitik kann nicht darin bestehen, daß auch katholische Bischöfe einen ideologischen Beitrag zur Zerstörung der Familie leisten. Es hat wenig Sinn, von einem hohen Leitbild der Ehe zu schwärmen und gleichzeitig zu suggerieren, daß es ohnehin nicht praktikabel wäre. Egoistische Selbstverwirklichung ist das Gegenteil dessen, was christliche Eltern anstreben sollten. Kinder brauchen keine Betreuungsstätten, sondern die Liebe ihrer Eltern. Wenn die Mütter nicht einmal in den ersten drei Lebensjahren für ihr Kind da sind, dann wird unser Volk nicht nur aussterben, wir züchten auch Generationen von Psychopathen heran, und das zeigt sich immer deutlicher. Eine der Ursachen für diese Entwicklung ist der Ungehorsam der Christen gegenüber dem Evangelium und dem kirchlichen Lehramt. Es ist höchste Zeit für eine Umkehr, die auch vor der eigenen Sündhaftigkeit nicht Halt machen darf.