Lebensschützer bitte vor den Vorhang

„Wenn wir in diesem Jahrzehnt nicht die Weichen stellen, dann holt uns der Teufel“, sagte der Präsident der Wirtschaftskammer Christoph Leitl nach einem Bericht der Tageszeitung „Die Presse“ vom 20. August 2003 auf die Frage, ob die Politik eine umfassende Reform des Sozialsystems noch lange hinauszögern könne. Anhand demographischer Daten sei es klar: „Zwischen 2001 und 2015 ist die Bruchlinie da.“ Helmut Kramer, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, hat sich laut demselben „Presse“-Bericht vorsichtiger ausgedrückt: „Jene politische Kraft wird punkten, die Sicherheit vermittelt, die eine glaubhafte Strategie entwickelt.“

Am 1. Juli 2003 berichtete die „Presse“ von einer Veranstaltung des Versicherungsverbandes zur privaten Altersvorsorge und überschreibt diesen Bericht mit der Aussage desselben Helmut Kramer: „Ab 2015 herrscht Alarmstufe eins“. Kramer habe vor einem Wachstumseinbruch aus Mangel an jungen Erwerbstätigen gewarnt. Zwischen 2010 und 2030 werden rund 600.000 Menschen am Arbeitsmarkt fehlen. Es sei mit einer Senkung des Sozialproduktes zu rechnen, und dieses Problem werde bei allen Pensionsreformen übersehen. Bei dieser Prognose sei eine Immigration von mindestens 10.000 Menschen pro Jahr bereits eingerechnet. Derselbe Helmut Kramer, der nicht als ein von Pessimismus geprägter Wirtschaftsfachmann bekannt ist, wird in einem Interview in der “ Presse“ vom 8. August 2003 mit der Aussage zitiert, die Finanzierung des Pensionssystems sei nicht die einzige politische Herausforderung, die von der Alterung der Bevölkerung ausgehe. Betroffen seien auch das Gesundheits-, das Pflegesystem, die Gestaltung und Finanzierung der Infrastruktur, betroffen seien auch der Arbeits- und der Kapitalmarkt. Er meint, ein Drittel der Wachstumsraten sei in Gefahr, weil die Wirtschaftsleistung weniger rasch wachsen werde.

Am 28. März 2003 berichtete die „Presse“ von einer Analyse eines in Laxenburg angesiedelten internationalen Instituts, dessen Inhalt zusammenfassend ist, daß etwa seit dem Jahr 2000 die Bevölkerung der EU eine „Tendenz zum Schrumpfen“ hat. Dies sei nicht nur darauf zurückzuführen, daß es statt der zum Erhalt der Bevölkerungsgröße notwendigen 2,06 nur 1,5 Kinder pro Frau gebe, sondern auch darauf, daß die Frauen später Kinder bekommen, also die Abstände zwischen den Generationen größer werden. Wegen der zunehmenden Lebenserwartung werde die Bevölkerung noch 15 Jahre lang wachsen, ab 2020 werde es bergab gehen. Bis 2100 werde Europa um 88 Millionen auf 144 Millionen Bewohner schrumpfen.

Das Rezept der Grünen und von Teilen der SPÖ gegenüber Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung scheint zu sein, die Grenzen zu öffnen und die freie Einwanderung zu ermöglichen. Ein solches Konzept dürfte schon deshalb völlig realitätsfremd sein, weil die Kinder dieser Einwanderer sicher nicht bereit sein würden, die Pensionen und das Gesundheitssystem der alteingesessenen alt gewordenen Bevölkerung zu finanzieren. Außerdem dürfte schrankenlose Einwanderung zu sozialen Unruhen führen, worüber gewisse politische Kreise nicht einmal nachdenken wollen. Dazu eine passende Anekdote: Horst Jakob Rosenkranz, Gatte der Vorsitzenden der FPÖ Niederösterreich namens Barbara Rosenkranz, hat vor kurzem einen „Flyer“ verbreitet des Inhalts: „Die Indianer konnten die Einwanderer nicht stoppen. Jetzt leben sie in Reservaten.“ Die Sozialistische Jugend Niederösterreichs bezeichnete diese Aussage als menschenverachtend und rassistisch. Unklar ist dabei allerdings, wen man hier als Subjekt bzw. Objekt von Menschenverachtung und Rassismus betrachten muß.

Ein Aspekt der Probleme, die auf uns zukommen dürften, findet seinen Niederschlag in den Samstagausgaben der Tageszeitungen „Kurier“ und „Presse“ vom 23. August 2003. Die Schlagzeile im Kurier lautet: „Die Jungen sehen für ihre Zukunft ziemlich schwarz“. Die wesentliche Aussage ist, daß sich die junge Generation in großer Mehrheit von allen politischen Parteien schlecht vertreten fühlt und daß der Generationenkonflikt längst auf die Tagesordnung der Politik gehört. Es werden Umfrageergebnisse veröffentlicht, wonach ein Großteil der jungen Leute eine finanzielle Entlastung der Jugend, eine Umverteilung von Alt auf Jung und Zusatzabgaben für Pensionisten, insbesonders für Spitzenpensionisten, fordert. Und die Schlagzeile in der „Presse“ lautet: „Gehrer: Kinder statt Pensionistensteuer“. Bildungsministerin und VP-Vizechefin Gehrer antwortet auf die Kritik der Jugend am Generationenvertrag, kritisiert die Forderung der jüngeren Generation nach einer Solidarabgabe für Pensionisten und fordert eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Frage, was die Aufgabe der Jungen im Rahmen des Generationenvertrages sei. „Kinder sind die beste Zukunftssicherung…“ und: „Was macht das Leben lebenswert“ Etwa, wenn man von Party zu Party rauscht, ist es das Single-Leben?“. Die Forderungen der Jungen an die Pensionisten sei eine „Neidhammeldiskussion“.

Wenn man weiß, wie sehr führende Leute in Politik und Wirtschaft bemüht sind, nur ja nicht in den Ruf von Überbringern schlechter Nachrichten zu kommen, und dennoch Aussagen gemacht werden wie die eingangs zitierten, dann muß wirklich bereits der Hut brennen.

Die begonnene Diskussion
Frau Minister Gehrer mag schon recht haben, und man muß ihr vorbehaltlos zu ihrem Mut, gegen den Strom zu schwimmen, gratulieren, ganz folgen kann man ihren Ansichten aber nicht. Zur heute herrschenden „Kultur des Todes“ (mit allen ihren Erscheinungsformen wie Massenmord an den ungeborenen Kindern, Propagierung der Verhütung, Zerstörung der Familien durch alle möglichen und unmöglichen Gesetzesbestimmungen und durch indirekte Förderung der Homosexualität, Selbstverwirklichung als schrankenloser Egoismus, Kinderfeindlichkeit) haben viele ihre Beiträge geleistet und noch viele mehr durch stillschweigende Duldung zur deren Ausbreitung beigetragen. Zumindest ihr Nichttätigwerden ist den führenden Schichten anzulasten, und das sind jene Leute, die jetzt sehr hohe Pensionen beziehen. Ein Mitverschulden derjenigen führenden Persönlichkeiten, die ab den 60er Jahren die Geschicke unseres Landes beeinflussten, ist ganz sicher gegeben, und es ist nicht einzusehen, warum diese Herrschaften ungeschoren davon kommen sollen und die volle Wucht der angestauten Probleme die heute Jungen treffen soll.

Landeshauptmann Ratzenböck von Oberösterreich (ÖVP) und Sozialminister Dallinger (SPÖ) haben in den 80er Jahren die Pensionsproblematik erkannt und wollten gegensteuern. Es ist ihnen nicht gelungen. Obwohl damals jedem aufmerksamen Beobachter die Problematik bereits erkennbar war, hat es noch zwanzig Jahre gedauert, bis sich eine Regierung der Sache angenommen hat. Alle Experten scheinen jedoch zu wissen, daß die „Pensionsreform“ zu spät gekommen ist und zu wenig war. Dennoch gibt es hochrangige Politiker, die wohl am liebsten ein Denkverbot verhängen würden. Innenminister Ernst Strasser, der sich möglicherweise als Wortführer des linken Flügels der ÖVP profilieren will, übte scharfe Kritik an der von Minister Elisabeth Gehrer ausgelösten Diskussion und an einer Wortmeldung von Nationalratspräsident Andreas Khol, der im Wesentlichen die Wortmeldung von Minister Gehrer aufgenommen hat. „Manche Wortmeldungen der letzten Tage kotzen mich an. Insbesonders jene, die Partys verbieten und zum Kinderkriegen aufrufen!“, und: „Besonders entbehrlich ist, den Österreichern mit Zuwanderung zu drohen, wenn sie nicht bereit wären, Kinder zu kriegen“, wird Strasser in der „Presse“ vom 1. September 2003 zitiert. Für ihn diente die Debatte zur Füllung des Sommmerloches, über das Thema sollte so rasch wie möglich (also wie in den letzen 20 oder 30 Jahren) der Mantel des Stillschweigens gebreitet werden.

Wenn Strasser argumentiert, Kinder zu haben sei eine höchst persönliche Entscheidung, muß man ihm natürlich zustimmen. Die Äußerung, daß diese Frage die Politik nichts angehe, beweist jedoch, daß es für Strasser in der Politik lediglich um Machtausübung geht und um Sicherung dieser Macht bei den nächsten Wahlen. Mit Verantwortungsbewußtsein für das eigene Volk, für die Bürger unseres Landes, hat eine solche Einstellung nichts zu tun.

Eine der ersten Diskussionsbeiträge der „Kronen“-Zeitung bestand darin, junge Mädchen dazu zu befragen, was sie vom Kinderkriegen halten. Die Antworten waren typisch für unsere Zeit. Alle meinten, sie würden „Zwang“ ablehnen und sich nichts dreinreden lassen. Frau Minister Gehrer hatte aber gar nicht von Zwang gesprochen sondern ein Nachdenken darüber gefordert, was das Leben denn lebenswert mache. Was kann es also sein, was solche bloßen Diskussionsbeiträge sofort als „Zwang“ empfinden läßt? Es ist wohl auch dies eine Folge der Gehirnwäsche der letzten Jahrzehnte. Wenn die Leute mit einer Ansicht konfrontiert werden, bei der sie spüren, daß sie richtig oder zumindest des Nachdenkens wert wäre, diese Ansicht aber dazu führen müßte, die eigene Lebenseinstellung zu überprüfen, dann wird allein dieses „Gespür“ bereits als Zwang empfunden und sofort von sich geschoben. Es ist dies eine sehr einfache Methode, die heute herrschende materialistische und hedonistische Lebensphilosophie nur ja nicht in Frage stellen zu lassen. Bisher mußte sich mit diesem Phänomen hauptsächlich die katholische Kirche auseinandersetzen, wenn deren Angehörige versucht haben, gegen den Strom der Zeit zu schwimmen. Obwohl die Kirche ja keine Möglichkeit hat, Zwang auszuüben und davon auch weit entfernt ist, wird der katholische Glaube weithin wegen seines angeblichen Zwangscharakters abgelehnt und damit die eigene Denkfaulheit sozusagen entschuldigt.

Nun wird es aber wohl bald so weit sein, daß von den äußeren Umständen tatsächlich ein Zwang ausgeht, dem sich die Menschen in der einen oder anderen Form werden beugen müssen. Und langsam, langsam beginnt auch die Politik diese selbst gemachte Zwangslage zu erkennen.

Auf derselben Ebene liegen möglicherweise die Gründe, warum sich der Herr Innenminister durch das Nachdenken anderer Politiker „angekotzt“ fühlt. Vielleicht sieht er aber wirklich die Entscheidungsfreiheit des einzelnen in Gefahr, und das würde bedeuten, daß hier lediglich ein sehr großes Mißverständnis vorliegt.

Um ein solches Mißverständnis auszuräumen, muß man klar machen, daß es heute besonders für die jungen Menschen in Wahrheit keine Entscheidungsfreiheit gibt. Um eine Entscheidung treffen zu können, braucht man bekanntlich Informationen. Im Bereich des täglichen Lebens ist das für uns alle eine Selbstverständlichkeit, wenn wir z.B. irgendeinen Einkauf tätigen. Dies kann sogar so weit gehen, daß bewußtes Vorenthalten einer Information bei einer Kaufentscheidung zum Verbrechen des Betruges wird. Daher ein volles Ja zur Entscheidungsfreiheit des Menschen gerade in den Dingen, die den persönlichen Bereich darstellen, seine Lebensplanung und seine höchstpersönlichen Belange betreffen. Noch einmal sei ein Beispiel aus dem katholischen Glauben bemüht, der in der festgefahrenen Meinung so vieler Menschen ja angeblich Zwangscharakter hat. Wenn ein Ehepartner sein Eheversprechen nicht völlig freiwillig abgibt oder wenn er über die Person seines Partners in wesentlichen Belangen falsch informiert wurde, dann ist das Eheversprechen nichtig.

Weil die begonnene Diskussion sinnvoll weitergeführt werden soll “ und man kann nur beten und hoffen, daß dies wirklich geschieht „, muß der Beitrag der Politik dazu sein, die jahrzehntelang unterdrückten Informationen zuzulassen und zu fördern. Wenn sich nun schön langsam die Erkenntnis durchsetzt, daß für unser weiteres Wohlergehen Kinder ganz einfach notwendig sind, dann muß man sich auch die Frage stellen, auf welche Art und Weise gewährleistet werden kann, daß Kinder an Leib und Seele gesund aufwachsen. Und ein weiterer Beitrag der Politik wird in der Gestaltung der Rechtsvorschriften liegen, die die Beziehung zwischen Eltern und Kindern sowie Ehe und Familie regeln, und in einer familienfreundlichen Steuerpolitik.

In Sonntags- und Wahlreden wird häufig eine kinder- und familienfreundliche Politik versprochen und beschworen, seltsamerweise von Politikern aller Parteien. Doch auch hier gilt, daß man die Gutgesinnten und die Heuchler an ihren Früchten unterscheiden muß. Die Früchte der Linken aller Schattierungen sind die immer weiter fortschreitende Zerstörung von Ehe und Familie, kurz gesagt die Förderung der „Kultur des Todes“. Gutmeinende Politiker aber müssen sich als erstes persönlich über grundlegende Fragen informieren, damit sie diese Diskussion überhaupt führen bzw. überhaupt erst richtig beginnen können.

Die einzelnen Aspekte
> Es muß eine ganz neue Menschenrechtsdiskussion begonnen werden. Die Kernfrage ist, ob der Mensch deshalb menschliche Würde und Persönlichkeit besitzt, weil er Angehöriger der biologischen Gattung Mensch ist oder erst dann, wenn ihn das Gesetz als Menschen anerkennt. Es gibt ausreichend gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die klar aufzeigen, daß der Mensch von Anfang an “ ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle “ Mensch ist und nicht erst dazu wird. Es wäre eine wunderbare Aufgabe für christliche Politiker, dazu beizutragen, daß hier ein Umdenken einsetzt. Dieses Umdenken muß dazu führen, daß der Mensch nicht mehr wie eine Ware behandelt wird, daß Embryonen nicht mehr künstlich erzeugt werden, die als Ersatzteillager für kranke Menschen herhalten sollen, ähnlich wie sich die Menschen in der Zeit des Kannibalismus durch Verspeisen von Körperteilen getöteter Mitmenschen deren Eigenschaften aneignen wollten. Christliche Politiker, die an eine unsterbliche Seele glauben, müssen sich doch dafür einsetzen, daß aus diesem Wissen heraus die Würde des Menschen gewahrt bleibt. Von einer solchen Grundeinstellung ausgehend würden sich viele heutige Probleme etwa im Bereich der Gentechnik insofern von selbst lösen, als solche Politiker den Menschen einen geraden und sicheren Weg aus den Schwierigkeiten weisen könnten.

> Man sollte auch darüber reden, ob es wirklich mit der Würde des Menschen und besonders der Frau vereinbar ist, immer sexuell verfügbar zu sein. Es gibt eine Riesengeschrei, wenn irgendwo ruchbar wird, daß an Tiere Hormone verfüttert werden. Diejenigen Wissenschaftler, die vor den Folgen der hormonellen Vergiftung ganzer Generationen von Menschen warnen, kommen nirgends zu Wort. Die Schäden am Erbgut werden vielleicht erst in mehreren Generationen voll zur Geltung kommen, allein aber daß diese Gefahr besteht, sollte die Menschen schon hellhörig machen. Ohne Bedenken werden jedoch solche Warnungen den Wünschen der Spaßgesellschaft untergeordnet, deren erstes Anliegen das schrankenlose Ausleben der Sexualität ist.

> Angeblich ist niemand für die Abtreibung, die Befürworter sind „nur“ für die (angebliche) Entscheidungsfreiheit der Frau, für ein „Recht auf Abtreibung“. Doch selbst wenn man die Freiheit zur Entscheidung darüber, ob man einen Mitmenschen bzw. sogar das eigene Kind töten darf, für richtig hält, stellt sich die Frage, ob hier wirklich eine Entscheidungsfreiheit gegeben ist, wo doch jede sachliche Information über das Geschehen der Abtreibung unterdrückt wird. Ein Beispiel: Der ORF, bekanntlich eine öffentliche Institution, die das Recht hat, Gebühren vorzuschreiben, und die die gesetzliche Pflicht hat, über alle relevanten gesellschaftlichen Fragen zu informieren, verweigert seit Jahrzehnten die Ausstrahlung des Films „Der stumme Schrei“ von Prof. Bernard Nathanson. Der ORF macht sich hiermit eindeutig einer Parteinahme für die Abtreibungsbefürworter schuldig, er betreibt eine bewußte Desinformationspolitik. Es kann doch für einen verantwortungsbewußten christlichen Politiker nicht zuviel verlangt sein, wenn er die Einhaltung des Rundfunkgesetzes durch den ORF öffentlich einmahnt.

> Damit eine Frau wirklich über ausreichend Informationen verfügt, bevor sie sich dazu entschließt, ihr Kind leben zu lassen oder durch Abtreibung zu töten, sollte sie nicht nur wissen, was bei einer Abtreibung wirklich geschieht, sie sollte auch über das Post-Abortion-Syndrom (PAS) aufgeklärt werden. In diesem Punkt gibt es fundierte wissenschaftliche Untersuchungen. Wir wissen leider gut darüber Bescheid, worunter Frauen, und zwar die meisten von ihnen, nach einer Abtreibung leiden, welche körperlichen Risiken bestehen und welche psychischen. Die Folgen sind oft nicht nur für die Frau selbst, sondern für die ganze Familie verheerend. Die Menschen spüren natürlich instinktiv, daß sie durch die Tötung ihres Kindes eine Schranke überschritten haben und werden damit oft ihr Leben lang nicht fertig. Das Überhandnehmen von Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmißbrauch, das epidemische Ausmaße annehmende Ansteigen von Ängsten und Depressionen ist wohl die Folge davon, daß wir zur „Abtreibungsgesellschaft“ geworden sind. Hier gegenzusteuern und als erstes für eine sachliche Information zu sorgen, wäre eine dankenswerte Aufgabe für christliche Politiker, die sich Gott, ihren Mitmenschen und den zukünftigen Generationen verantwortlich wissen.

> Christa Meves, die bekannte deutsche Jugend- und Kinderpsychologin, ist seit Jahrzehnten publizistisch tätig und wird nicht müde, ihre Erfahrungen in Büchern, Aufsätzen und Vorträgen öffentlich zu machen. Die Krise von Ehe und Familie, die wir heute haben, hat sie schon vor Jahrzehnten vorausgesehen, und zwar als Frucht der 68er-Ideologie. Ihre Erkenntnisse machen klar, welche schrecklichen Folgen es hat, wenn Mütter ihre Kleinkinder bei Betreuungseinrichtungen abliefern anstatt sich selbst um sie zu kümmern. (Natürlich ist sie nicht die einzige, die sich mit diesen Problemen beschäftigt und dazu etwas zu sagen hat, sie wird hier nur beispielsweise genannt.) Würde man diese Erkenntnis in die Praxis umsetzen oder auch nur öffentlich diskutieren, dann wäre zumindest einigen gutgesinnten Politikern klar, daß die Errichtung von Kinderbetreuungsstätten nicht der Weisheit letzter Schluß ist. (Der ORF hat auf seine Weise reagiert. Ein „Wissenschaftler“ durfte seine Erkenntnisse zum besten geben, daß Frankreich und Schweden die höchste Geburtenrate in Europa hätten, was er damit begründet hat, daß es in diesen Ländern ausreichend Kinderbetreuungsstätten gäbe. Doch abgesehen davon, daß auch in diesen beiden Ländern die demographische Entwicklung eine negative Tendenz aufweist, wurde nichts darüber gesagt, woher dieser Kinderreichtum kommt. Zu vermuten ist allerdings, daß der in Frankreich und Schweden besonders große Anteil an moslemischen Einwanderern für diesen Kinderreichtum verantwortlich ist.)

> Prof. Dr. Viktor Frankl hatte als Mediziner einiges dazu zu sagen, was der einzelne Mensch selbst zu einem geglückten Leben beitragen kann. Der schrankenlos ausgelebte Egoismus, den wir unter der Bezeichnung Selbstverwirklichung kennen, ist nach Frankl der sicherste Weg, unglücklich zu werden. „Die Jagd nach dem Glück verjagt das Glück“. Nach Frankl wird der Mensch nur glücklich, wenn er aus sich heraus geht, wenn er nicht um sich selbst kreist, sondern entweder einen anderen Menschen glücklich machen will oder in einer Aufgabe aufgeht. Dieses Wissen bzw. diese Erfahrungen stützt Prof. Frankl nicht etwa auf das christliche Gebot der Nächstenliebe, sondern ausdrücklich auf seine Erfahrungen als Arzt. Es wäre daher besonders hilfreich, seine Erkenntnisse in eine Diskussion über den Wert oder Unwert der hedonistischen Lebensweise einzubringen, weil seine Aussagen auch für Leute interessant sein müßten, die von religiösen Motiven nichts wissen wollen.

> Früher oder später wird bei dieser Diskussion sicher die Frage der Überbevölkerung eine Rolle spielen. Seitdem das Pensionsproblem virulent geworden ist, hört man zwar kaum mehr etwas davon, viele Jahre lang war es aber eine heilige Kuh, daß es wegen der weltweiten Bevölkerungsexplosion geradezu unverantwortlich wäre, Kinder in die Welt zu setzen. (Nicht selten hat man im Bekanntenkreis gehört, daß Erwachsene mit mehreren Kindern auf der Straße angepöbelt wurden.) Dabei ist das Dogmavon der (angeblichen) Überbevölkerung schlicht falsch und vermutlich eine glatte Lüge. Es wurde und wird den Menschen Angst eingejagt, daß der Lebensraum enger wird, die Nahrungsmittel und Rohstoffe ausgehen und der Energiebedarf nicht gedeckt werden könne. Es werde zum Kollaps der Erde kommen. Tatsächlich ist es (mit der einzigen Ausnahme Bangladesch) so, daß die am dichtest besiedelten Länder der Erde zugleich auch die reichsten sind. So ist Deutschland dichter besiedelt als Indien und 2,3 mal dichter als China. Wissenschaftliche Untersuchungen aus den 60er-Jahren machen klar, daß alle diese Katastrophenszenarien falsch sind. Sogar mit den landwirtschaftlichen Möglichkeiten, wie sie vor vierzig Jahren gegeben waren, und davon ausgehend, daß die Erde (ausgenommen die feuchten Tropen und die Polargebiete) das Äquivalent von 6.660 Millionen Hektar guten landwirtschaftlichen Bodens besitzt, wäre dieser ohne künstliche Bewässerung ausreichend, 36,6 Milliarden Menschen sehr gut zu ernähren. Das Problem sind nicht die Nahrungsmittel und die Rohstoffe, das Problem in einigen Ländern sind die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnisse. So war die Hungersnot in Äthiopien in den 90er Jahren auf die politischen Verhältnisse zurückzuführen und darauf, daß das Land eine sehr geringe Bevölkerungsdichte und dementsprechend keine Infrastruktur aufweist. Südafrika erlebte zwischen 1980 und 1988 eine Trockenheit. Sieben Jahre lang führten Flüsse teilweise kein Wasser mehr, und dennoch meldete das Land keine Hungersnöte. Ebenso falsch ist es, den Menschen dafür verantwortlich zu machen, daß Tiergattungen und Pflanzen von der Erde verschwinden. Es gibt heute etwa 360.000 lebende Pflanzenarten und etwa 1,3 Millionen Tierarten. Diese machen allerhöchstens 1 % der Lebewesen aus, die jemals auf der Erde vorhanden waren. Die meisten Lebewesen sind also bereits verschwunden, bevor der Mensch in Erscheinung getreten ist. (Dazu Roland RÖSLER: DER MENSCHEN ZAHL oder: Das zerstörte Sodom ist Euer Land! ISBN 3-7171-0922-7, Christiania-Verlag, CH-8260 Stein am Rhein, besprochen in PRO VITA 1/1992)

Einige praktische Hinweise
Vor einigen Jahren gab es eine Plattform von Lebensschützern aus verschiedenen Gruppen und Vereinen, die mit ÖVP-Abgeordneten ins Gespräch gekommen sind. Es gab mehrere Treffen im Parlament, und man zeigte sich grundsätzlich interessiert. Bei einem dieser Gespräche wurde von den Parlamentariern erwähnt, daß wir Lebensschützer in unserer Informationsarbeit viel zu nachlässig wären. Die Abgeordneten würden von links gerichteten Lobbys Berge von Informationsmaterial erhalten und seien schon deswegen beeindruckt und geneigt, deren Anliegen für wichtig und richtig zu halten. Wenn man sich diese Erfahrung zunutze macht, dann sollte man jetzt mit den Abgeordneten des eigenen Wahlkreises Kontakt aufnehmen, diese mit Material füttern und persönlich bei ihnen vorsprechen.

Meist denken wir auch viel zu wenig daran, wieviel Aufmerksamkeit bei Medienleuten und Politikern Anrufe und Leserbriefe bzw. Briefe erwecken, und dies selbst dann, wenn Anrufe anscheinend nicht beachtet und Leserbriefe nicht abgedruckt werden. Auch ganz kurze Leserbriefe mit einigen wenigen markigen Sätzen haben ihre Wirkung.

Vielleicht fühlt sich der eine oder andere von unseren Freunden durch dieses oder jenes Thema besonders angesprochen. Dazu sei betont, daß es für die nun begonnene Diskussion, für deren Aufrechterhaltung und Fortführung, äußerst wichtig ist, daß möglichst viele Teilbereiche zur Sprache kommen. Oder mit anderen Worten: Es ist auch sinnvoll, sich an der Diskussion zu beteiligen, wenn man nur in einem kleinen Teilbereich einen Beitrag leisten kann oder will.

Schließlich sollten wir uns nicht schämen, unsere Politiker darauf hinzuweisen, daß es für einen Christen ein ganz vorzügliches Rüstzeug für diese Wertediskussion gibt, das sind die Enzykliken Humanae vitae von Papst Paul VI. und Evangelium Vitae von Papst Johannes Paul II. Die Erkenntnis wird sich sicher früher oder später durchsetzen, wie Recht der sogar innerhalb der Kirche viel geschmähte Papst Paul mit seiner Enzyklika hatte, als er die gottgewollte Verbindung zwischen menschlicher Sexualität und Fruchtbarkeit betonte. Vielleicht sollten wir diese Enzykliken unseren Politikern zum Geschenk machen. Jedenfalls aber sollten wir Frau Minister Gehrer mit Lob überschütten, weil sie es wirklich verdient hat.