RECHT HABEN SIE, WENN SIE UNS VERSPOTTEN!!

Eine offene und ehrliche Analyse
von Dr. Alfons Adam

Zum wievielten Mal ich einen Aufsatz mit folgenden Überlegungen einleiten muß, weiß ich nicht mehr: Es sind zwischen hundert und dreihundert ungeborene Kinder täglich, die allein in unserem Land auf grausame Art umgebracht werden. Die Zahl der Alkohol- und Drogenkranken nimmt immer mehr zu, und sie werden immer jünger. Vor allem Kinder und Jugendliche werden immer aggressiver. Unsere „Spaßgesellschaft“ pflegt also intensiv die „Kultur des Todes“. Doch über jenes Gesetz, welches wie kein anderes Ausdruck und gleichzeitig Beschleunigung dieser Entwicklung war, nämlich die sogenannte Fristenlösung, herrscht angeblich gesellschaftlicher Konsens. So zumindest ist es in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 18. Juni 2005 zu lesen. Und triumphierend wird hinzugefügt, daß in Wien die Polizei seit kurzem eine Handhabe gegen radikale Abtreibungsgegner hat. Und diesen gesellschaftlichen Konsens scheint es ja tatsächlich zu geben, wenn wir an die vier (nunmehr fünf) politischen Parteien im Nationalrat denken und an die Äußerungen hoher kirchlicher Amtsträger.

Lebensrechtler und Lebenschützer sind in Wahrheit keine radikale Splittergruppe und keine verrückten Einzelgänger.

Aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung weiß ich, daß es sehr viele von uns gibt. Man müßte sie nur sammeln und auf ein gemeinsames Ziel einschwören.

Warum glaube ich, daß die Politiker, und ich denke dabei insbesondere an die ÖVP, ihren Spott mit uns Lebensschützern treiben? Als erstes: Ich bin mir sicher, daß den Politikern die sehr große Zahl von Menschen, denen der Lebensschutz das vorrangigste Interesse ist, sehr wohl bekannt ist. Aber sie können sich bedenkenlos darüber hinwegsetzen, weil der Massenmord und alles, was damit zusammenhängt, bei der Wahlentscheidung keine Rolle spielt.

Beispiele aus der letzten Zeit für eine solche Verspottung:

Ausgerechnet im Zeitpunkt, als es der Jugend für das Leben vor Weihnachten 2004 in Salzburg gelungen ist, aufsehenerregende Aktionen gegen die geplante Eröffnung einer Abtreibungsstation durchzuführen, erklärte die prominente ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat, VP-Frauenchefin, Ministerin für Frauen- und Gesundheitsfragen, die Fristenregelung sei kein Thema.

Am 29. April 2005 hat der Wiener Landtag auf Antrag der SPÖ ein Gesetz beschlossen, welches der Polizei die Befugnis einräumt, Lebensschützern das Verlassen öffentlicher Orte vor Abtreibungskliniken zu befehlen, wenn sie dort jemanden „nachdrücklich“ ansprechen oder versuchen, einen Gegenstand zu übergeben. (Gemeint sind die bekannten Rettungsaktionen vor Abtreibungskliniken und die Übergabe von Plastik-Embryos.) Die Wiener ÖVP hat diesem Gesetz zugestimmt, die FPÖ wollte noch weiter gehen und einen Straftatbestand schaffen. Mir liegt nun vor eine Korrespondenz mit dem geschäftsführenden Clubobmann der Wiener ÖVP Dr. Matthias Tschirf, die nicht nur eine für mich unerträgliche Heuchelei zeigt, sondern auch klar macht, wie sehr es sich bei „christlichen“ Politiker eingebürgert hat, die Lebensschützer nicht ernst zu nehmen. Zuerst betont Dr. Tschirf, daß er aktiver Katholik und Mitglied in zahlreichen katholischen Verbänden sei und sein politisches Handeln von seiner christlich-katholischen Überzeugung geprägt sei. Und dann heißt es: „Wir haben einer gesetzlichen Klarstellung zugestimmt, die das überschießende Agitieren einiger Lebensschützer gegenüber Frauen auf dem Weg in eine Abtreibungsklinik hintanhalten soll.“ Dann bekennt er sich zu Demonstrations- und Informationsfreiheit der Lebensschützer und meint, daß diese weiterhin durch Aufklärung und Informationsarbeit ihrer Hilfstätigkeit nachgehen könnten. Und am Ende des mir vorliegenden Briefes steht der Satz: „Sei bitte in diesem Zusammenhang auch versichert, daß wir uns diese unsere Entscheidung nicht leicht gemacht, sondern sie nach sorgfältiger Überlegung und nach eingehender Abwägung aller Argumente getroffen haben.“

Gerade dieser zuletzt zitierte Satz ist entlarvend. Wenn diese „katholischen“ Politiker sorgfältig überlegen und eingehend abwägen, dann kommt also dabei heraus, daß Lebensschützer soweit wie möglich (nämlich soweit es die Verfassung überhaupt zuläßt) drangsaliert werden sollen, damit das Geschäft der gewerblichen Kindermörder ungehindert ablaufen kann. Und das getraut sich der Mann unter Hinweis auf seine Mitgliedschaft in zahlreichen katholischen Verbänden auch noch zu sagen. Ich halte das für eine Verspottung der Lebensschützer, die man halt mit einigen schönen Worten beruhigen muß, damit sie das nächste Mal wieder brav ÖVP wählen. Ich bin der Meinung, daß sich die Politiker aller Parteien schon sehr lange innerlich über die Lebensschützer lustig machen, die sich hin und wieder energisch zu Wort melden und dann wieder in Resignation zurückfallen.

Aus der Warte der Politiker und Medienleute ist verständlich, daß sie Lebensschützer nicht ernst nehmen, daß sie sie als Sektierer vom rechten Rand abtun. Sie wissen aus Erfahrung von Jahrzehnten, daß sie mit ihnen so umspringen können. Und sollte es diesen Lebensschützern tatsächlich gelingen, einmal etwas mehr Wirbel zu machen, dann könnte man sie leicht in eine Hochstimmung versetzen, indem man die eine oder andere der von ihnen schon so lange geforderten „flankierenden Maßnahmen“ umsetzt. Da gäbe es z.B. die statistischen Erhebungen über die Gründe einer Abtreibung. (Die gibt es bereits in einigen Ländern, ohne ersichtlichen Erfolg.) Der größte „Erfolg“ wäre natürlich die Trennung zwischen beratendem und abtreibendem Arzt. (Auf diese Forderung könnte die Politik leicht eingehen, weil sie ohnehin praktisch wirkungslos wäre. Die professionellen Kindermörder würden abwechselnd und gegenseitig beratender oder abtreibender Arzt spielen, und dem Gesetz wäre genüge getan.) Merken die Lebensschützer nicht, wie lächerlich sie sich machen? Ist ihnen nicht klar, daß sie eigentlich nichts besseres als Spott verdient haben? Angeblich geht es für sie doch um Leben oder Tod, und da legen sie wert darauf zu erfahren, was die Gründe für das Todesurteil sind?

Wie mit Lebensrechtlern umgesprungen wird, hat der 4. Juni 2005 bewiesen. Für diesen Tag hat eine Initiative mehrer Gruppen und Einzelpersonen, federführend war „Jugend für das Leben“, am Linzer Hauptplatz eine Kundgebung angemeldet und monatelang intensiv vorbereitet. Zwei Tage vor dem Termin wurde der Vertreter dieser Initiative zur Polizei zitiert und unter Androhung des Verbotes der Kundgebung dazu gezwungen, diese auf kirchlichen Privatgrund zu verlegen. Eine Linzer Zeitung hat dann noch gemeldet, die Kundgebung sei überhaupt abgesagt worden, sodaß sie dann letztlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden hat.

Daran knüpfen sich die Fragen:
WARUM LASSEN WIR UNS DAS ALLES GEFALLEN?
UND WIE LANGE NOCH?

Ich muß aus meiner persönlichen Geschichte als Lebensrechtler erzählen, weil ich beweisen will, daß es so nicht weitergehen darf.

Etwa 1979 bin ich mit Johann Wilde in Kontakt gekommen und habe ihm geholfen, die „Plattform Ärzte für das Leben“ zu gründen, die einige Jahre lang eine sehr aktive Gruppe war. Dann aber hat „jemand“ ein Machtwort gesprochen. Eine große Demonstration am Wiener Ring mit rund 8.000 Teilnehmern wurde einfach totgeschwiegen. Das Fernsehen brachte keinerlei Meldung. Die wenigen Zeitungen, die darüber berichteten, haben das völlig entstellt getan. Damit war der Schwung genommen. Denn wenn sich jemand öffentlich für ein Anliegen einsetzt, dann macht er dies selbstverständlich in der Absicht, dadurch auf das Problem aufmerksam zu machen. Wenn man ihn ganz einfach totlaufen läßt, dann ist das die beste Methode, ihn in die Resignation zu zwingen.

Johann Wilde und ich waren damals aber auch persönlich sehr aktiv und sind davon ausgegangen, daß die Fristenlösung beseitigt gehört, damit das gesellschaftliche Leben wieder in Ordnung gebracht werden kann. Wir waren bei der „Aktion Leben“ und wurden hinauskomplimentiert. Wir waren bei Bischöfen und haben keine oder nur wenig Unterstützung gefunden. Wir waren beim damaligen ÖVP-Obmann Alois Mock im Parlament, und er hat uns an eine sehr nette Dame verwiesen, die für diese Sache zuständig sei. Den Namen dieser Dame hatten wir vorher nie gehört, und nach unserem Gespräch haben wir auch nichts von ihr gehört. Sie hat uns freundlich zugehört, und das war‘s. Vom damaligen Generaldirektor Sassmann wurden wir beide nach Graz eingeladen und haben dort vor einem Forum angesehener steirischer Bürger ein Co-Referat gehalten. Wir ernteten freundliche Zustimmung. Zugleich wurde uns aber damals schon gesagt, wir würden nichts erreichen. Das war etwa fünf Jahre nach Inkrafttreten der Fristenlösung. Heute frage ich mich, woher diese Leute ihr Wissen hatten.

Im Jahre 1984 wurde PRO VITA gegründet, ein Verein, der sich vor allem der rechtlichen und politischen Aspekte des Problems annehmen wollte. Gründungsmitglied und bis vor kurzem immer im Vorstand war ein in Kreisen der Lebensschützer bekannter ÖVP-Politiker mit erlauchtem Namen, von dem ich sicher bin, daß er es immer ehrlich gemeint hat und auch heute noch meint. Besonders in den ersten Jahren von PRO VITA hat uns eine enge persönliche Freundschaft verbunden. Dieser alte Freund war lange Jahre im Bundesrat, jetzt ist er ÖVP-Abgeordneter im Nationalrat. Jahre hindurch hat er mir immer wieder erzählt, mit welchen ÖVP-Größen er gerade gesprochen habe und wie sehr sie ihm alle darin Recht gegeben hätten, daß eine christliche Wende und ein Lebensrecht für die Ungeborenen notwendig sei. Auf diese Wende habe ich lange gewartet, bis ich schließlich des Wartens müde geworden bin. Daß jemand nach vielen Jahren der Zugehörigkeit zum ÖVP-Parlamentsclub ein braver Parteisoldat wird, ist eine ganz natürliche Entwicklung. Und daß er seine Aufgabe dann darin sieht, der Partei Wählerstimmen zu erhalten, ist verständlich. So wie es verständlich ist, daß sich die Partei aus eben diesem Grund ein Aushängeschild leistet, auch wenn niemand daran denkt, für die ungeborenen Kinder etwas Wirksames zu tun. Dabei fällt mir noch ein Politikerschicksal ein, das ganz ähnlich verlaufen sein dürfte. Aus meiner katholischen Studentenverbindung habe ich vor einigen Jahren einen jungen Mann zum Mittagessen eingeladen, der damals gerade die höchste Funktion im CV bekleidete oder eben bekleidet hatte, und eine ganz in mein Weltbild passende Meinung vertreten hatte. Wir haben uns ausgesprochen und ich war wirklich sehr von ihm angetan. Dieser Mann ist heute einer jener Wiener ÖVP-Abgeordneten, die für das Anti-Lebensschützer-Gesetz gestimmt haben.

Doch nun weiter zu meinen persönlichen Erfahrungen: Ich war zweimal in Salzburg bei Tagungen, die von Familienbischof Klaus Küng einberufen worden sind. Es waren eindrucksvolle Ereignisse. Die eine hat in einem großen Saal in der Nähe des Bahnhofs in Salzburg stattgefunden, die andere zumindest zweitätige im Diözesanen Bildungshaus St. Virgil in Salzburg. Mindestens einmal war ich bei einem größeren Treffen in Maria Plain bei Salzburg, zu welchem Bischof Andreas Laun eingeladen hatte. Einmal gab es ein Treffen solcher Gruppen auf dem Sonntagberg, ebenfalls unter Federführung von Bischof Laun. Diese Treffen mit Gleichgesinnten waren erbaulich und sicher auch ermutigend, es wurden natürlich Pläne geschmiedet, und immer war auch von „Dachverband“ oder „Plattform“ die Rede. Auch Resolutionen wurden verfaßt. Alles ohne irgendwelche praktischen Ergebnisse. Der Zug rollte immer weiter in Richtung „Kultur des Todes“.

Ich kann mich noch an ein Gespräch erinnern, das Johann Wilde und ich mit Generaldirektor Sassmann in Wien geführt haben. Er hat uns damals berichtet, daß kurz nach der Wahlniederlage der ÖVP gegen Kreisky im Jahr 1970 von prominenten Katholiken der Versuch unternommen worden sei, die ÖVP zu rechristianisieren. Ergebnislos. Später wurde mir dies auch von Heinrich Drimmel, dem langjährigen Unterrichtsminister, und Karl Gruber, dem ersten Landeshauptmann von Tirol nach 1945 und Außenmister, bestätigt. Mit beiden Persönlichkeiten hatte ich noch durch Jahre Kontakt, mit Drimmel einen ziemlich engen. Mitgearbeitet habe ich auch bei einer „Aktion für Österreich“, deren Galionsfigur der prominente ÖVP-Politiker Prim. Dr. Richard Piaty war, seines Zeichens Bundesrat und Präsident der österreichischen Ärztekammer. Alle genannten Persönlichkeiten waren bzw. sind eifrige Verfechter eines Lebensrechtes für die Ungeborenen. Sie alle haben entweder von innen oder von außen versucht, in ihrer Partei in dieser Sache politisch wirksam zu werden. Alles ohne Erfolg.

Es war Ende der 90iger Jahre, als sich in Wien I, Elisabethstraße, eine Plattform bildete mit dem Bestreben, auf die Politik Einfluß zu nehmen. Wir waren mehrmals im Parlamentsclub der ÖVP und haben dort mit prominenten Politikern gesprochen. In Erinnerung geblieben ist mir, daß uns gesagt wurde, wir sollten uns um Unterstützung an die Bischöfe wenden. Wenn von dort ein deutliches Signal käme, würde auch die ÖVP etwas unternehmen. Von den Bischöfen, von denen wir erfahren mußten, daß eine Mehrheit an einem Lebensrecht für Ungeborene kein Interesse hätte, haben wir gehört, dies sei eine Sache der Politik, also der ÖVP.

Warum sind alle diese Bemühungen, die ich mitbekommen habe und sicherlich viele andere, von denen ich nichts erfahren habe, ohne jedes Ergebnis in dem Sinne geblieben, daß eine allgemeine Entwicklung zum Positiven initiiert hätte werden können? Bei allen diesen Tagungen gab es Pläne, Treueschwüre und Anläufe in Richtung Vernetzung und natürlich den Austausch von negativen Erfahrungen. Durchgehalten haben letztlich nur die gläubigen Christen, doch von echtem Vertrauen auf Gottes Vorsehung und Allmacht spüre ich bis heute nichts.

ES FEHLT DAS GEMEINSAME KONKRETE ZIEL!

Alles was heute in den Hirnen herumgeistert, wird seit Jahrzehnten in Gedanken gewälzt:
a. Hoffnung auf Besinnung der ÖVP auf ihre christlichen Wurzeln. (Und darauf haben, wie oben gesagt, schon vor über 30 Jahren die Minister Drimmel und Gruber und Generaldirektor Sassmann gehofft.)
b. Lobby-Arbeit. (Mein letzter Versuch, dazu etwas beizutragen, war die Plattform in der Elisabethstraße, wie oben geschildert.)
c. Lebensschützer in hervorragenden Positionen, gemeint in erster Linie bei der ÖVP: Das kann schon deshalb nichts bringen, weil Mandatare unserer Gesinnung damit aufgerieben würden, in den Reihen ihrer eigenen Partei um Zustimmung zu werben bzw. die weltanschaulichen Gegner in den eigenen Reihen abzuwehren.
d. Wirken in Verbänden außerhalb der Parteien: Auch darüber hätte ich vieles zu berichten bzw. könnte ich Namen von hervorragenden Persönlichkeiten nennen, die solches ergebnislos versucht haben.

In der Sache wäre dieses gemeinsame Ziel die Aktivität zu den Schwerpunktthemen, die heute in Staat und Gesellschaft fast vollständig vernachlässigt werden.
LEBENSSCHUTZ (und Lebensrecht für ALLE Menschen)
EHE UND FAMILIE
ERZIEHUNG
KULTUR

In diesen Themenbereichen gilt es, die Verschwörung des Schweigens zu durchbrechen. Wir müssen die wirksamste Taktik wählen, um die vorerst wichtigste Aufgabe auch erfüllen zu können, nämlich Aufklärung, Aufklärung und wieder Aufklärung. Eine breit angelegte Diskussion ins Volk tragen kann aber nur eine in sich geschlossene homogene Gruppe, deren Existenz man nicht totschweigen kann und die dieselben (finanziellen) Möglichkeiten hat wie ihre weltanschaulichen Gegner. Es gibt daher nur eine gemeinsame sinnvolle Taktik: Hinein in den Nationalrat, in die Landtage und in die Gemeinderäte. Einige Abgeordnete da oder dort zu haben, die dann in der eigenen Partei einen aussichtslosen Kampf kämpfen, wenn sie überhaupt kämpfen, war bis jetzt und wäre auch weiterhin sinnlos. Und warum z.B. in die Landtage und in die Gemeinderäte? Die Erziehung in die verkehrte Richtung findet heute manchmal schon in den Kindergärten statt. Und Landtage geben Steuergeld aus für die Förderung der „Kultur des Todes“.

EINE REALE CHANCE

Alle Lebensrechtler zusammen haben meiner Beobachtung nach so viel Einflußmöglichkeit, daß vom Stand weg österreichweit 200.000 Wählerstimmen durchaus realistisch sind. Bei der letzten Nationalratswahl wären rund 120.000 Stimmen notwendig gewesen, um eigene Abgeordnete in den Nationalrat zu entsenden. Als christliche Lebensrechtspartei Clubstärke zu erreichen, ist keine Utopie. Was ein solcher Erfolg für unsere Arbeit bedeuten würde, läßt sich gar nicht absehen. Selbst wenn eine Mehrheit für eine von christlichen Grundsätzen getragene Partei in weiter Ferne liegen sollte, wäre es ein sensationeller Durchbruch, der das ganze politische Spektrum verschieben würde.

WIE KOMME ICH AUF DIE MÖGLICHEN 200.000 WÄHLERSTIMMEN?
In den letzten 25 Jahren habe ich sehr viele größere und kleinere Zeitschriften, Lebensrechtsgruppen und Persönlichkeiten kennengelernt, die leidenschaftlich für ein Lebensrecht der ungeborenen Kinder eintreten. Ich habe bei einigen Gruppen auch mitgearbeitet und unzählige Kontakte gehabt. Ich war selbst Gründer der Vereine Plattform Ärzte für das Leben und PRO VITA (Die meisten Gründungsmitglieder von PRO VITA stammten aus dem Kreis der Paneuropa-Bewegung ). Von dessen Beginn an habe ich den Verein Jugend für das Leben unterstützt. Dietmar Fischer bin ich schon juristisch beigestanden, bevor es noch die HLI Österreich gegeben hat. Ich weiß von einem Maria Goretti-Bund und von der Christlichen Wählergemeinschaft. Bei der Zeitschrift der Gebetsaktion Medjugorje bin ich an der Wiege gestanden. Ich kenne von Anfang an VISION 2000 und den 13.. Die Weiße Rose ist mir ebenso ein Begriff wie Die Wahrheit oder die Pfadfinder Mariens der Katholischen Pfadfinderschaft Europas. Rechtliche Unterstützung meinerseits und eine Zusammenarbeit gab es bereits mit den Herausgebern von Fatima ruft. Leidenschaftliche Lebensschützer habe ich bei religiösen Gruppierungen gefunden, wie bei den Petrus-Brüdern, bei den Pius-Brüdern, bei der Charismatischen Bewegung, bei den Initiativkreisen, bei den Gebetsgruppen von Pater James Manjackal.

Mitglieder der Legio Mariae habe ich in einem Prozeß erfolgreich vertreten, der von einer Abtreibungsärztin gegen sie angestrengt worden ist, weil sie vor der Ordination Flugblätter verteilt haben. Das leidenschaftliche Interesse am Schicksal ungeborener Kinder verbindet meine alten Freunde Max Domej und Christian Stelzer von den Medjugorje-Gebetsgruppen mit den Vertretern der Initiativkreise oder den Pius-Brüdern. Karl Angerer von der CWG, der sich schon öfters bemüht hat, politisch wirksam zu werden, ist vom selben Anliegen beseelt wie Sonja Mundvon der Liga für Sozialhygiene, die tatsächlich noch an eine christliche Wende in der ÖVP glauben dürfte. Mein Freund Albert Pethö von der „Weißen Rose“ hat dieselben Intentionen wie Martin Humer, der Porno-Jäger. Christoph Gaspari von der „VISION 2000“ ist ein genauso leidenschaftlicher Lebensschützer wie die „Engelmänner“ vom „13.“. Ich kenne namhafte CVer und MKVer, die in ihren Verbänden als Multiplikatoren wirken könnten, und ich habe erst vor wenige Tagen zwei junge Tiroler kennengelernt, katholische Landsmannschafter, die volles Verständnis für diese Anliegen zeigen.

„Zur Zeit“ – Mitherausgeber Botschafter Johann Josef Dengler, dessen Freundschaft für mich eine große Ehre ist, kämpft genauso für ein Lebensrecht der Ungeborenen wie die Herausgeber der Nachrichtendienste kath.net und kreuz.net, die doch in diesem Punkt keine Schwierigkeit mit einer Zusammenarbeit haben sollten. Und was ist mit K-TV und Radio Maria?

Alle jene beispielsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgezählten Vereine, Zeitschriften und Einzelpersönlichkeiten stimmen sicher darin überein, daß zu den genannten vier Schwerpunktthemen eine christliche Wende in der Politik notwendig ist. Alle sind gläubige Christen. Alle sehnen sich danach, für die ungeborenen Kinder etwas wirksames tun zu können. Darum die rhetorische Frage: Warum tun sie, warum tun wir es nicht?!

WARUM SCHLIESSEN SICH
DIE LEBENSSCHÜTZER NICHT ZUSAMMEN?

Im folgenden ein Versuch, den Gründen hierfür nachzugehen:
1. MANCHE MEINER RELIGIÖS MOTIVIERTEN FREUNDE HALTEN ALLES, WAS MIT POLITIK ZUSAMMENHÄNGT, FÜR VERABSCHEUUNGSWÜRDIG. Sie sind der Meinung, daß sie sich für Politik nicht zu interessieren bräuchten und sehen keinen Zusammenhang zwischen ihrem Christ-Sein und ihrem Leben als Staatsbürger. Sie verstehen nicht, wie man sich aus christlicher Verantwortung heraus für Politik interessieren kann.

Dabei bedenken sie aber eines nicht: Mit dieser Einstellung stehen sie im klaren Gegensatz dazu, was Papst Johannes Paul II. von den katholischen Laien erwartet hat und was unser derzeitiger Hl. Vater von ihnen, von uns, erwartet. In seiner Enzyklika Evangelium Vitae macht uns Johannes Paul deutlich, daß Abtreibung Mord ist, unsere österreichische „Fristenlösung“ ein verbrecherisches Gesetz und die Demokratie als solche in Frage zu stellen ist, wenn solche Untaten von einer parlamentarischen Mehrheit für rechtmäßig erklärt werden. Er spricht von einer schweren und klaren Verpflichtung, sich einem solchen Gesetz aus Gewissensgründen zu widersetzen. Wenn daher ein katholischer Christ den verstorbenen Papst ernstnimmt und ihm gehorchen will, und wenn er dazu die Möglichkeit hat, auf andere Mitchristen Einfluß zu nehmen, dann trifft ihn auch die Verpflichtung zum Handeln, will er sich nicht einer schweren Unterlassungssünde schuldig machen. Selbstverständlich ist auch in dieser Frage das Flehen um Gottes Hilfe der erste Schritt, doch Gott hat sich immer der Menschen als Werkzeug bedient. Und Papst Johannes Paul II. hat uns auch ganz konkret aufgefordert, wir sollten uns als katholische Laien im politischen Bereich in Fragen des Lebensschutzes als Werkzeug verstehen und tätig werden. Unser jetziger Hl. Vater spricht davon, daß die ausnahmslose Unantastbarkeit des menschlichen Lebens keine Nebensächlichkeit sei. Es wäre eine „oberflächliche und heuchlerische Lösung“, wenn wir uns damit abfinden, den Kampf gegen die staatliche Legitimierung der Abtreibung verloren zu haben. Ein intensives Gebetsleben, und noch dazu in einer Gemeinschaft, ist sicherlich etwas Wunderschönes, es entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung christlicher Nächstenliebe. Und unsere am meisten bedrohten Mitmenschen sind nun einmal die ungeborenen Kinder.

  1. UNS FEHLT WEITHIN DER GLAUBE AN DIE EIGENEN FÄHIGKEITEN. Und noch weniger glauben wir an die Fähigkeiten derjenigen, die sich wie wir oft schon sehr lange im Lebensschutz abgestrampelt haben oder noch immer abstrampeln. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß wir nicht wirklich an Gottes Vorsehung und Allmacht glauben. Zum anderen Teil sind es höchstpersönliche Eifersüchteleien. Jeder glaubt, sein eigenes Süppchen kochen zu müssen, und es sei bisher nur deshalb so wenig erreicht worden, weil es alle anderen falsch gemacht hätten. (Derartiges habe ich nicht nur einmal zu hören bekommen.) Diese Einstellung ist aus mehrfachen Gründen falsch:
    a. Wenn wir gemeinsam den Durchbruch erzielen, dann haben wir so viele öffentliche Positionen zu besetzen, daß wir über jeden einzelnen froh sein müssen, der dazu bereit ist.
    b. Ich glaube nicht, daß es unter uns jemanden gibt, der die eigene Person, die eigene Eitelkeit, höher stellt als die Sache. Ich habe selbst erlebt, wie einer von unseren Freunden, der allgemein als nicht teamfähig gilt, sich sofort zurückgenommen hat, als dies in der konkreten Situation der Sache diente. Wir müßten uns wechselseitig einen Vertrauensvorschuß geben.
    c. Wenn wir uns vor Augen halten, daß es für die Ungeborenen um Leben und Tod geht, daß es für unser Volk insgesamt um Segen oder Fluch geht, dann sind unsere persönlichen Vorbehalte eigentlich lächerlich.
    Ich möchte hier an zwei Beispielen demonstrieren, was ich meine, und hoffe, daß mir die Betroffenen nicht böse sind. Also ehrlich und ganz konkret:
    Mir persönlich wäre mein alter Freund Albert Pethö als Bundeskanzler zehnmal lieber als Schüssel. Ich halte Albert für intelligent genug, Charakter und Gesinnung hat er auch, und er würde in einem solchen Amt an Profil gewinnen, sodaß wir ihm bedingungslos folgen könnten. Viele von uns rümpfen aber deshalb über ihn die Nase, weil er ihnen zu „verschroben“ ist oder vielleicht einmal einen Satz geschrieben hat, der nicht hundertprozentige Zustimmung gefunden hat.
    Und ich denke an Martin Humer. Was hat dieser manchen als degoutant und Rabauke erscheinende Pornojäger in den letzten Jahrzehnten an Einfallsreichtum und Beharrlichkeit entwickelt. Er hat Rechtstreitigkeiten erfolgreich durchgekämpft, die auch für Fachleute nicht einfach zu führen gewesen wären. Es ist für mich keine Frage, daß er für alle möglichen politischen Ämter geeignet gewesen wäre oder noch immer ist, sicher geeigneter als viele Amtsträger, die unser Volk kaputt gemacht haben.

Das Schwelgen in geistlichen Genüssen kann nicht das sein, was Gott zur Zeit von uns will, die wir in einer Welt leben, in der Kindermörder den Ton angeben, in der eine große Zahl unserer Mitbürger durch das Geschehen der Abtreibung bereits zutiefst verwundet ist, wo Drogen, Alkohol und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wir leben in einer Zeit kollektiven Wahnsinns. Hätte die „Mutter“ jener vier Babys, deren Leichen Anfang Juni in Graz gefunden worden sind, diese Kinder zehn Minuten vor der Geburt wegen Gefährdung ihrer psychischen Gesundheit von einem professionellen Kindermörder umbringen lassen, dann wäre sie weiterhin ein angesehenes Mitglied unserer Gesellschaft. Und der beliebteste Politiker Österreichs war lange Chefideologe jener Partei, die den Kindermord in Form der Abtreibung an ihre Fahnen geheftet hat und noch immer nicht davon genug kriegen kann.

WIE LANGE NOCH WERDEN WIR DAS KLEINERE ÜBEL WÄHLEN, wie lange noch werden wir auf jeden Wahlkampf-Schmäh hereinfallen. Ich denke an die Äußerung von Bundeskanzler Schüssel am 26. Juni 2005 beim Tiroler Parteitag gegen die Homo-Ehe. Merkt denn keiner, was hier gespielt wird? Selbstverständlich hat man in der ÖVP-Zentrale das Rumoren unter den christlichen Kernwählern mitbekommen. Wie schon so oft, muß man also christliches Profil zeigen, damit alle zufrieden sind und weiterhin brav ÖVP wählen. Daß 1.300 Parteitagsdelegierte klatschen, wenn sich jemand klar gegen die Homo-Ehe ausspricht, daß glaube ich schon. Ich glaube auch, daß man unter dem Wahlvolk wirklich punkten kann, wenn man gegen die Privilegien für Homosexuelle auftritt. Nur – wollen das diejenigen, die in der ÖVP das Sagen haben, wirklich? Ich bin mir sicher, sie wollen das nicht. Wie wäre es sonst zu erklären, daß der steirische Landtagspräsident Derfler nicht schon längst aus der ÖVP ausgeschlossen worden ist? (Österreichweit ist dieser Politiker lediglich dadurch bekannt geworden, daß er immer wieder für eine Förderung der Homosexualität bzw. deren Privilegierung eintritt.) Es war die steirische ÖVP, die als erste in einem Landesbedienstetengesetz Privilegien für Homosexuelle geschaffen hat. Und es war die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Schüssel, die als erste (im Wohnungseigentumsgesetz) rechtliche Privilegien für Homosexuelle eingeführt hat. Unter der Letztverantwortung der „christlichen“ Politikerin Gehrer wird im ganzen Land schon Volksschulkindern beigebracht, wie schön es ist, schwul und lesbisch zu sein.

Bei allen Parteien, auch bei der ÖVP, fehlt der politische Wille, christliche Grundsätze in der Politik wirksam werden zu lassen. Alle sind sich darin einig, daß über so etwas überhaut nicht gesprochen werden soll. Die Gesetze, die die rechtliche Grundlage für die Zerstörung von Ehe und Familie bilden, wurden von der ÖVP mitbeschlossen. Die Zerstörung des Schulwesens konnte wegen der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit nur mit Zustimmung der ÖVP erfolgen. Die abscheulichsten der Gotteslästerung dienenden „Kunstwerke“ wurden häufig von ÖVP-Politikern erst ermöglicht. Hier war manchmal die SPÖ zurückhaltender, vielleicht weil sie gewisse Dinge den einfachen Arbeitern nicht zumuten konnte.

MEINE BITTE AN DIE LESER

Manche werden sich fragen, warum ich nicht selbst die Initiative ergreife und alle von mir genannten Lebensrechtler zu gemeinsamer Aktivität einlade. Das würde ich gerne tun, bin mir aber sicher, daß eine solche Einladung meinerseits auf allgemeines Mißverständnis stoßen würde. Ich will einen Denkanstoß geben, nicht aber mich als Führungspersönlichkeit anbieten. Vielleicht kann von meinen Lesern jemand den entscheidenden Beitrag leisten, daß dieser für unsere ungeborenen Kinder so notwendige Zusammenschluß zustande kommt.